Die LVB und die Sache mit dem Internet

Wenn ein Unternehmen ankündigt, eine neue Website ins Netz zu stellen, haut das heute normalerweise keinen mehr vom Hocker. Wenn das Unternehmen allerdings ein kommunales ist, für den Webauftritt 50.000 Euro ausgegeben worden sind und dieser dann nicht die Erwartungen der Benutzer erfüllt, schlägt das schon mal hohe Wellen. Der Versuch einer objektiven Analyse.

DAS Thema der Leipziger Twitterer am Dienstag war der Relaunch der Website der Leipziger Verkehrsbetriebe. Was bis vor kurzem noch eine ganz normale Website im Dreispaltendesign mit linker und rechter Sidebar und mittlerem Contentbereich war, sieht seit Dienstag so aus:


Gegen 14 Uhr begann bei Twitter der Sturm aufgrund dieser Website. Stein des Anstoßes ist vor allem das Design. Die Benutzerführung funktioniert weitgehend über Buttons und Piktogramme. Sidebars und Teaserkästen gibt es nicht, die Website durchzieht ein Matsch aus Grau auf Grau im Querstreifendesign. Der Link zur Homepage ist rechts oben auf einem kleinen Haussysmbol versteckt. Ein Logo im Kopfbereich, wie man das gewöhnt ist, fehlt gänzlich. Die einzig helle und auffällige Fläche in diesem Einheitsgrau ist der gelbe Streifen mit dem LVB-Logo am Fuß der Website. Weshalb (zumindest mein) Blick immer zuerst auf dieses Banner fällt. Zudem ist man durch die Hervorhebung ständig versucht, dort draufzuklicken. Die Typografie ist ein zusätzliches Grauen. Überschriften wurden allesamt mit Versalien, also Großschreibung, realisiert. Das wirkt schreiend und insgesamt nicht freundlich.

Startseite zu unruhig
Die beiden Teaserbilder „Onlineshop“ und „Mobilitätsservice“ auf der Startseite sind nicht einheitlich und wirken schnell hingeschludert. Am rechten Rand des „Mobilitätsservice“ gibt es einen weißen Rand, der bei „Onlineshop“ nicht existiert. Oben rechts klebt der Kasten „Verkehrsinfo“ direkt an den Piktogrammen, was nicht schön aussieht. Außerdem hat dieser Kasten als einziger abgerundete Ecken – aber auch nur unten. Alle anderen Kästen und Contentbereiche sind durch gerade Ecken abgegrenzt. Mit Design, Einheitlichkeit oder Nachvollziehbarkeit hat das Ganze wenig zu tun. Zudem fragt man sich, warum der Contentbereich links so riesig gewählt wurde, wenn dort nur sechs kleine Piktogramme enthalten sind. Dazu kommt, dass die Abstände zwischen den Kästen nicht einheitlich sind. Zwischen „Verkehrsinfo“ und „Onlineshop“ klafft eine große Lücke. Insgesamt wirkt die Startseite dadurch sehr unruhig.

Ebenso nicht einheitlich sind die beiden Slider „Meine LVB“ und „Hilfe“ am linken Bildschirmrand. Bei Klick fahren diese nach rechts über die gesamte Breite der Website. Diesen Effekt sieht man in letzter Zeit häufiger und dagegen ist auch nichts einzuwenden. Allerdings fragt man sich, warum der Bereich „Meine LVB“ nach unten so lang gewählt wurde, obwohl dieser gar nicht so viel Inhalt bereit hält. Zudem ist graue Schrift auf grauem Untergrund eher suboptimal. Der Slider „Hilfe“ ist dagegen viel zu voll gepackt. Der „Schließen“-Button ist unten abgeschnitten. Auch das hat mit Design nichts zu tun und sollte eigentlich während eines Usability-Tests vor Live-Schaltung ausgemerzt werden.

Verwirrende Grafiken
Ein starkes Stück, wenn nicht gar eine Frechheit, sind die Silhouetten der Zielgruppen der LVB im Bereich „Tarife“. Während Kinder, Schüler und Azubis noch akzeptabel gestaltet wurden, wirds danach eher finster. Studenten sind offenbar fülliger als Azubis, Erwachsene haben einen Bierbauch, Autofahrer sind unförmig und Senioren sind augenscheinlich Exhibitionisten, die ihren Mantel lüften. Das Ganze wirkt so, als wenn hier nie jemand von „außen“ draufgeschaut hat. Dann wäre es sicher aufgefallen, dass diese Grafiken nicht funktionieren und eher diffamierend wirken als ansprechend.

Zur Technik
Die technische Umsetzung der Website lässt sich insgesamt als unfertig beschreiben. Beispiel: Die Suchfunktion. Diese funktioniert augenscheinlich nicht. Trotz Verwendung von Worten, die auf der Website vorkommen, wird nie etwas gefunden. Weder „Newsletter“, noch „Kontakt“, „Fahrplan“, „Fahrgastbeirat“, „Semesterticket“ oder „Monatskarte“ funktionieren. Man muss zu dem Schluss kommen, dass die Suche noch gar nicht implementiert wurde.
Update: Mittlerweile funktioniert die Suche nach oben genannten Keywords.

Ebenso unfertig ist der RSS-Feed. Dieser versteckt sich unter unteren Navigation und ist nicht direkt in der Website mit link rel= eingefügt, wie das eigentlich üblich wäre. Viel schlimmer ist allerdings: Der Feed funktioniert nicht. Zwar werden Überschriften im Feed generiert, auf die man auch klicken kann. Die kryptische URL bringt dann allerdings nur eine nahezu weiße Seite mit einem Link „zurück zur Übersicht“. Diese sieht dann so aus. Nach Klick auf die Überschriften passiert aber wieder ebenso nichts.

Genauso schlecht oder gar nicht umgesetzt ist die Suchmaschinenoptimierung der Website. Der Seitentitel ist nichtssagend und enthält lediglich den Namen des angewählten Navigationspunktes. Das Meta-Tag „description“ fehlt auf allen Seiten. Zudem dürfte die Programmierung dafür gesorgt haben, dass Google die Website so sieht.

Apropos Google: Derzeit verfügt die Website im Google-Index über Sitelinks, also Direktlinks zu wichtigen Navigationspunkten der Website. Diese Sitelinks fügt Google immer dann hinzu, wenn die Suchmaschine der Meinung ist, dass die Navigation logisch angelegt wurde. Sitelinks sind also Ausdruck einer guten Programmierung. Ich sage voraus, dass lvb.de künftig nicht mehr über solche Sitelinks verfügen wird. Dafür spricht unter anderem auch, dass vergessen wurde, Weiterleitungen auf die nicht mehr existenten Links zu legen. Wer also jetzt über Google LVB sucht und dort auf den Sitelink „Fahrpläne für Bus und Tram“ klickt, steht kurz auf einer 404-Fehlerseite, danach auf der Startseite und damit im Regen.

Merkwürdig und nicht üblich sind auch die Großschreibungen der URLs. Wer sich vielleicht lvb.de/fahrplan gemerkt hat, wird damit nicht weit kommen, denn nur lvb.de/Fahrplan funktioniert. Hier sollte auf jeden Fall nachgebessert werden.

Allerdings – um auch mal etwas positives zu sagen – ist die Integration von GoogleMaps und die Realisierung des Fahrplanes ein großer Schritt nach vorn. Die Fahrtroute wird auf der Karte angezeigt, inklusive aller Haltestellen auf dem Weg. Zudem wird per kleinem Piktogramm eine Ticketempfehlung gegeben. Für Gelegenheitsfahrer eine Erleichterung.

Leider funktioniert auch diese Integration noch nicht vollends. Bei meinem Test konnte ich zwar eine Route problemlos ermitteln. Verändert man danach aber das Fahrtziel, werden Straßen plötzlich nicht gefunden. Vom Hauptbahnhof in die Ratzelstraße gibt es eine Fahrtroute. Verändert man danach das Ziel auf Antonienstraße (oder eine andere beliebige Straße), wird diese nicht gefunden. Dieses Phänomen der nicht vorhandenen Straßen haben auch andere Nutzer bereits entdeckt.

Gut gemeint aber nicht konsequent umgesetzt ist auch die Verkehrsinfo. Wer auf der Startseite derzeit auf den „Anzeigen“-Button neben „Straßenbauarbeiten Mölkauer Straße“ klickt, gelangt zu einer Seite, die unsinnigerweise „Fahrplan“ heißt und eine große Karte zeigt. Allerdings ist dort die Baustelle Mölkauer Straße nicht erkennbar. Erst ein erneuter Klick auf diese Baustelle, die jetzt links als letzter Eintrag statt rechts als erster Eintrag angezeigt wird, lässt die Karte an die entsprechende Stelle zoomen. Auch hier sollte nochmal Hand angelegt werden.

Betriebsblindheit?
Entwickelt wurde das „Design“ der neuen LVB-Website von Frank Hofmann, Professor für multimediale Anwendungen an der Hochschule Merseburg. Vielleicht liegt hier schon der Hauptgrund für den Reinfall dieses Relaunches. Theoretisches Wissen trifft reale Anforderungen.
Technisch umgesetzt, also programmiert und gehostet wird die Website von eWerk Leipzig. Inwiefern das Unternehmen für diesen Gau mitverantwortlich ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Allerdings muss sich eWerk schon fragen lassen, warum sie hier nicht mit Nachdruck Veto eingelegt haben.
Auf der anderen Seite ist die Zusammenarbeit mit einem großen kommunalen Unternehmen sicher alles andere als leicht. Irgendwann, nachdem man genug gesagt hat, kommt sicher auch bei Agenturen die Resignation und es wird so umgesetzt wie gewünscht. Ich hoffe, bei eWerk existieren genügend Aufzeichnungen über alle Bedenken, die man geäußert hat. Diese würde ich dem Kunden nach dem Sturm der Entrüstung der Nutzer unter die Nase halten.

Wie betriebsblind und unerfahren die Leipziger Verkehrsbetriebe mit dem Thema Internet sind, zeigt bereits die Pressemitteilung, die anlässlich des Relaunchs herausgegeben wurde. Die Website wird dort als „das Internet“ bezeichnet. So laufe „das Internet“ auf allen gängigen Browsern, jedoch nicht auf Internet Explorer 6.0, weil „für die Browser Internet Explorer eine bundesweite Sicherheitswarnung herausgegeben“ wurde. Wer derart ungeschickt Sätze über Internetanwendungen formuliert, sollte vielleicht lieber keine Pressemitteilung herausgeben.

Fazit: Technisch gesehen gibt es bei der neuen Website der LVB durchaus Ansätze, die wegweisend und richtig sind. „Internationale Maßstäbe“, wie die Pressemitteilung laut schreit, werden allerdings nicht gesetzt. Schon gar nicht mit diesem Design, das keines ist. Eine grundlegende Überarbeitung wird sicher nicht möglich sein. Allerdings sollten sich die Beteiligten nochmal an einen Tisch setzen und die Kritikpunkte der Nutzer zum Anlass nehmen, über Optimierungen nachzudenken.

51 Gedanken zu „Die LVB und die Sache mit dem Internet

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