Was sächsische Radiosender im Netz falsch machen

Ein etwas längeres Stück, in dem ich mir die Websites von Radio PSR und anderen sächsischen Privatradios ansehe.

Die neue Website von Radio PSR zeigt es deutlich: Radiosender haben im Internet eindeutig Nachholbedarf. Weil sie das Medium offenbar nicht verstehen oder die eigene Wichtigkeit überschätzen. Und weil sie einfache journalistische Grundregeln nicht einhalten.

Bleiben wir ruhig mal bei Radio PSR und dem Beispiel der eigenen Wichtigkeit. Was ich damit meine, ist der eigene Anspruch, eine Community aufbauen zu wollen, wie es in der Pressemitteilung tönt. An jener Community baue man derzeit. Der Hörerclub wurde mit dem Relaunch abgeschafft und soll später in anderer Form wieder starten. Derweil versucht man, mit Videos die Meinung der Hörer abzufragen.

Authentisch?

Videos wie das von Abendmoderator Philipp Gräfe beispielsweise. Dort erfahren wir auf unglaublich authentische Weise, dass Philipp Gräfe sich vom Handy wecken lässt, eine runde Nachttischlampe besitzt und nach dem Schlafen offenbar nicht die Unterhose und auch nicht das Shirt wechselt. Außerdem vermittelt das Video durch seinen Schnitt den Eindruck, Gräfe schlafe im Sender. Auch für dieses Video kann – und sollte man wohl – seine Stimme abgeben.

Wie die neue Community am Ende aussehen soll, dazu kann die Pressestelle noch nichts sagen. Hoffentlich wird sie einen Tick besser als der jetzige Marktplatz. Dieser negiert gleich die komplette Navigation der Website und schafft eine neue. Das verwirrt und zeugt davon, dass hier offenbar vorgefertigte Module verwendet wurden, die einfach nur „eingeklinkt“ werden. Da ist für Individualität kein Platz mehr.

Ungekennzeichnete Werbung

Wofür in der horizontalen Navigation aber noch Platz war, ist der Button „Singles“. Singles im Marktplatz? Gut, sind halt Kleinanzeigen. Denkt man. Doch wer auf „Singles“ klickt, landet ungefragt bei einem externen Kooperationspartner: neu.de – auf der Microsite hat man dann wenigstens noch schludrig den Kopf der PSR-Seite eingehangen. Vielleicht merkt’s der Hörer ja nicht…
Aber es gibt noch mehr ungekennzeichnete Werbung. In der linken Navigation befindet sich unter dem Deckmantel Menüpunkt „Mein Sachsen“ der Eintrag „AUDI-Gewinnspiel“. Zugegeben, es wird von einem Gewinnspiel gesprochen. Dass dort aber in aller Ausführlichkeit die Vorzüge des Wagens hervorgehoben werden, inklusive Links zu Audi-Partnern in Sachsen, geht für meine Begriffe dann doch etwas zu weit. Ebenfalls ungekennzeichnet ist die Verlinkung zum externen Angebot stadthunde.com unter dem Navigationspunkt „Family & Fun“. Zumindest geht es in der perfekt in den PSR-Auftritt eingeklinkten Seite aber wenigstens um echte Inhalte und nicht um Vertragsabschlüsse.

Auch andere sächsische Radiosender

Aber nicht nur PSR hat das Problem, auf seiner Website zu laut seine Kooperations- und Werbepartner anzuteasern. Während Hitradio RTL Sachsen noch versucht, Inhalte vorzutäuschen, gleichen die Internetauftritte von Radio Leipzig und den übrigen Sendern der Sächsischen Stadtradios einem Gemischtwarenladen. Von „Frühstückchen“ über Urlaub, dem Besuch der Spielhölle bis zum Wochenendeinkauf im…ähm…Gemischtwarenladen gibt’s dort alles. PSR 2, pardon, Radio R.SA, mischt ebenso wie die Mutter im Autoverkauf mit lässt Morgenmann Böttcher einen A3 unter die Leute bringen – natürlich nicht, ohne schlimmes Werbesprech auf der Website zu verwenden. Löbliche Ausnahme: Die Website von Energy Sachsen. Hier blinken nur eigene Aktionen oder werden Inhalte zum Programm und Stars vermittelt.

Plausibilitätsprobleme

Zurück zur PSR-Website, der es an Plausibilität mangelt. Unverständlich, warum beispielsweise angesprochenes Audi-Gewinnspiel auf den Seiten des Vermarkters MACH3 gehostet wird. MACH3 vermarktet die Sender R.SH, delta radio und Radio Nora. Geschäftsführer ist hier unter anderem – wie auch bei PSR – Dirk van Loh. All diese Unternehmen sind Beteiligungen der Regiocast. Ordnung in diesem Beteiligungs- und Mutter-Tochter-Unternehmensgeflecht hat man – so scheint es zumindest – wohl nicht. Ich kann jedenfalls keinen Grund erkennen, warum der schleswig-holsteinische Vermarkter das Gewinnspiel für den sächsischen Marktführer ausliefert.
Ähnlicher Fall: Die Fotogalerie, die sich in einem neuen Fenster bzw. Tab öffnet (warum?) und ebenfalls von MACH3 ausgeliefert wird. Zudem wird hier, wie beim Marktplatz, die eigentliche Navigation negiert und durch eine komplett neue ersetzt. Sowas irritiert mich als User. Zudem frage ich mich, welchen Anspruch man mit der Fotogalerie hegt. Dynamische Fotos mit Y-Promis und Unbeteiligten finden sich dort ebenso wie etwa Fotos zu einer Nachrichtenmeldung. Letztere tragen den Titel „Babymord“ und sind in der Kategorie „Aktionsfotos“ zu finden. Gleich neben dem Tag der Sachsen oder einer Sendung der Morningshow aus dem Zoo.

Strukturiertes Chaos?

Man weiss nicht so recht, wie man es nennen soll. Unordnung? Chaos? Kontrollierte Pflegeunterlassung? Beispiel: Die Moderatorenübersicht auf der PSR-Website. Hier gibt es eine bunte Zusammenwürfelung sämtlicher Fotos, die man grad mal parat hatte. Steffen Lukas darf das Bild mit einem hübschen Schlagschatten teilen, Billy Wulff hält ihre Kopfhörer fest, Peggy Schmidt ist goldig geschminkt und steht vor einer ebenso goldigen Wand mit Schrift drauf, Philipp Gräfe hat man schnell mal im Studio vor der markanten Logowand abgelichtet – und so weiter und so fort. Hier fragt man sich: Wenn schon neuer Webauftritt, warum dann nicht auch einheitliche Fotos? Fotos, die farblich zum Gesamtkonzept passen. So es denn eines gibt.
Ähnliches Bild aber auch bei den Sächsischen Lokalradios. Vom Schnappschuss über das Urlaubsfoto bis zum professionellen Shooting ist hier alles vertreten.

Ein generelles Chaos herrscht auf der PSR-Website aber auch durch das Hintergrundbild. Bezeichnenderweise heißt es „jungle“. Dieser Dschungel, der wohl tanzende Menschen darstellen soll, beißt sich nur allzu oft mit den eingeblendeten Werbebannern. Eine magentafarbene Anzeige auf grünem Untergrund ist eher der Kategorie Augenkrebs (Vorsicht!) zuzuschreiben, als einem aufgeräumten Webauftritt.

Technische Unzulänglichkeiten

Wie schön wäre es, wären dies die einzigen Probleme der PSR-Website. Aber auch unter der Haube hapert es. Beispiel: Die Registrierung für den Marktplatz. Die Bestätigungsmail nach der Anmeldung wird schnell verschickt. In ihr befinden sich dann aber nicht, wie versprochen, Username und angegebenes Passwort. Statt des Kennworts ist der Platzhalter „password“ eingetragen. Man könnte das für ein Sicherheitsmerkmal halten. Ist es aber nicht, denn schließlich heißt es auf der Website: „Nutzen Sie dazu Ihren Usernamen und Ihr Passwort. Das haben Sie gerade per Mail zusammen mit dem Link bekommen, der Sie auf diese Seite geführt hat.“ Tja, Pech für den, der später eben jenes Passwort sucht.

Viel zu tun für Radio PSR, das in der Pressemitteilung zum neuen Webauftritt mit Werbeformeln wie „komplett neue grafische Gestaltung“, „klar übersichtlichere Menüführung“ oder „benutzerfreundlich“ wirbt.

Stetige Weiterentwicklung

Natürlich soll hier nicht verschwiegen werden, dass PSR ganz klar sagt, dass der relaunchte Auftritt „nicht als Abschluss, sondern als Spitzmarke eines stetigen Weiterentwicklungsprozesses zu werten“ sei. Ein derartiges Chaos als ernst gemeinten Relaunch zu bezeichnen, ist allerdings alles andere als benutzerfreundlich und zeugt für meine Begriffe nur davon, dass es im Netz, wie auch on Air längst nicht mehr darauf ankommt, den Hörern wirklich etwas zu bieten, sondern ein stupides Massenprodukt ohne jeglichen Wiedererkennungswert zu sein.

Ich werde den „stetigen Weiterentwicklungsprozess“ verfolgen und hoffe auf eine wirkliche solche.

3 Gedanken zu „Was sächsische Radiosender im Netz falsch machen

  1. Hallo,

    Deine Anmerkungen über den genannten Radiosender scheinen wohl schon erste Auswirkungen zu zeigen, denn der Server scheint stetog zusammenzubrechen, da keiner Deiner gesetzten Links geöffnet werden.

    Machen sich die Damen und Herren des Senders doch wohl Gedanken um deine Anmerkungen, und schieben vielleicht gleich noch einen Relaunch hinterher 🙂 :mrgreen: :mrgreen:

    Dennoch gebe ich ich Dir in der Tat recht, Webseiten von Radiosender sind teilweise mehr als grauenhaft, und das über die Landesgrenzen von Sachsen hinaus… also viel zu tun für Webworker….

  2. Ehrlich gesagt mache ich mir keine Illusionen, dass meine Aufzählungen hier irgendwas bewirken. Bei mir lassen sich die Links öffnen.

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