Die Sprache als Schlüssel zum Herzen

Der Iraker Hayder Mohammed Kadhim absolvierte für acht Wochen ein Praktikum in Leipzig.

Wer an den Irak denkt, dem kommen die Bilder aus dem Fernsehen in den Kopf. Krieg, ein zerstörtes Land und jede Menge Leid. Aber auch ein gestürzter Diktator und die Chance auf einen Neubeginn. Diese Chance nutzte auch Hayder Mohammed Kadhim. Der 29-Jährige stammt aus dem Irak und weilte für ein Praktikum in Leipzig. Er gehörte zu 20 irakischen Bürgern, die in Deutschland arbeiten.

Eingeladen wurden sie vom Projekt „Irak-Horizonte 2015: Heute säen, morgen ernten“, das vom Goethe-Institut, der deutschen Botschaft in Bagdad, dem Bundesverband der Deutschen Industrie und dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag initiiert wurde. Ziel ist die Weiterbildung junger Hochschulabsolventen, um im Irak qualifizierte Entscheidungsträger in der Regierung und Unternehmen aufzubauen.

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Hayder Mohammed Kadhim verbrachte seine Zeit bei der Leipziger Messe und arbeitete im Auslandsmarketing. Abteilungsleiter Thomas Stenzel hat bereits seit längerem Kontakt in das arabische Land in Vorderasien. „Wir hatten vor anderthalb Jahren mit dem Verein Midan zu tun. Das ist die Deutsch-irakische Mittelstandsvereinigung. Deren Leiter erzählte uns von seinen Erlebnissen. Dass die Menschen dort vorankommen und wieder arbeiten wollen“, so Stenzel. Zudem sei der Irak ein wirtschaftlich interessantes Land mit viel Wachstumspotenzial. Das derzeitige Wirtschaftsvolumen betrage nur zehn Prozent von der ursprünglichen Kraft vor dem Krieg.
Als Hayder vor wenigen Wochen nach Deutschland kam, wurde er zum ersten Mal mit der deutschen Sprache und Mentalität konfrontiert. Deutsch kann er trotz eines Sprachkurses nach der kurzen Zeit natürlich noch nicht. Aber sehr gut Englisch, was wichtig ist, gerade bei Auslandsbeziehungen einer Messegesellschaft. „Ich will alles wissen über den Handel und professionelles Messegeschäft. Es ist doch spannend, wenn Firmen für eine Messe nach Deutschland kommen, um hier Fuß zu fassen oder einfach nur um ihr Land zu präsentieren“, meinte er.

messe_hayder_1Seinen Chef nannte Hayder nur „Mister Thomas“ und sprach geradezu ehrfürchtig von ihm. „Er hat mir viel beigebracht, ich verdanke ihm sehr viel und werde das nie vergessen“, sagt er zum Ende seines Aufenthaltes. Im Irak hat Hayder studiert, später in einer Firma gearbeitet, die Investments aufbaut. Vor seiner Reise nach Deutschland hatte er dort gekündigt. „Er hätte acht Wochen Urlaub nehmen müssen, was nicht ging. Also machte er einen kompletten Schnitt“, so Stenzel. Im Leipziger Büro kniete sich Hayder sofort in die Arbeit, hörte wissbegierig zu, schrieb sich viel mit. „Ich will den Terror in meinem Land mit meiner Arbeit besiegen. Die Deutschen können mir viel geben, sie haben viele gute Ideen und ich habe sie als Freunde kennen gelernt“, sagt der Iraker, der sich dafür einsetzt, dass in seinem Land Bildung und Ausbildung wieder zur Normalität finden. „Ich war extra beim Botschafter in Berlin, um mit ihm darüber zu sprechen“, berichtet Hayder. Einen Anfang in dieser Hinsicht macht die Leipziger Messe. Zur nächsten Buchmesse sollen Lehrer eingeladen werden, die sich vor Ort weiterbilden können.

Die Deutschen habe Hayder als intelligent kennen gelernt. „Ich habe hier viel Selbstvertrauen und auf alles eine Antwort bekommen“, sagt er. Selbstvertrauen, das dem irakischen Volk in der Vergangenheit genommen wurde. Und auch während seines Aufenthaltes in Leipzig zuckte Hayder regelmäßig zusammen, wenn er von neuen Anschlägen, Toten und Verletzen hörte. Vor allem in Bagdad, wo er nach wie vor viele Freunde hat. Gegen die USA hat er aber nichts. „Ich glaube, das irakische Volk hasst die Amerikaner nicht unbedingt. Wir hatten etwas gegen die frühere Regierung. Seit Obama ist das anders. Allerdings kommen wohl viele nicht damit klar, dass die USA für immer im Irak bleiben wollen“, glaubt Hayder.

Seine Zeit in Leipzig wolle er immer im Herzen tragen. „Das hier ist eine wirklich schöne Stadt, die Menschen können sehr zufrieden sein mit dem, was sie hier haben“, sagte Hayder, der in einer Studenten-WG wohnte. „In der Südvorstadt“, ergänzte Stenzel, worauf sein irakischer Praktikant sofort dieses für ihn ungewohnte Wort nachsprach. Es wird nicht das letzte deutsche Wort sein. Denn er will wiederkommen, um noch mehr zu lernen und in seinem Land zu berichten. Zur Vorbereitung darauf hat er sich einen Sprachkurs auf DVD gekauft, denn er sagt: „Die Sprache ist der Schlüssel zum Herzen der Menschen.“

Erschien am 10. September 2009 in der Leipziger Volkszeitung.