Hochdruckeinfluss für das Radioprogramm

In diesen Tagen herrscht ungewohnte Vielfalt in Leipzigs Autoradios. Bayern 1, Bayern 3, BB-Radio, Antenne Brandenburg, RBB-Kultur und der zum RBB gehörende Sender Radio Multikulti aus Berlin sind vor allem morgens glasklar und ohne Störgeräusche zu empfangen. Verkehrsfunk mit bayerischem Akzent, eine Morgenshow für Brandenburg. Da werden Urlaubsgefühle wach, ausgelöst von Überreichweiten, wie sie im Sommer häufig vorkommen.

Auch umgekehrt funktioniert das: hiesige Radiostationen erreichen teilweise weiter entfernte Regionen. So berichtet Rocco Reichel, Sprecher von Radio Leipzig 91 Punkt 3, von EMails aus Hannover oder gar Norwegen, wo der Sender in der Vergangenheit kurzzeitig zu hören gewesen sein soll.

„Das sind Erscheinungen in der Ionosphäre, etwa 50 bis 1500 Kilometer über der Erdoberfläche“, erklärt Andreas Meyer, Vorsitzender im Freundeskreis des Schkeuditzer Planetariums. Diese Luftschicht würde ihre Eigenschaften aufgrund der Teilchenstrahlung der Sonne ändern. „Ob die Sonne wirklich für diese Überreichweiten verantwortlich, kann aber nicht mit Sicherheit gesagt werden“, so Meyer.

Im Astrophysikalischen Institut Potsdam ist man aber sicher, dass „die Sonne solche Auswirkungen möglich macht“, wie Horst Balthasar, wissenschaftlicher Mitarbeiter sagt. Voraussetzung für Überreichweiten seien Aktivitäten auf der Sonne. „Ein Massenauswurf von elektromagnetischer Strahlung ist meist schuld. Durch ihn werden Elektronen und Protonen beschleunigt. Treffen diese auf die Erde, wird das Magnetfeld verformt, was dazu führen kann, dass Rundfunksender ihr Sendegebiet vergrößern“, veranschaulicht der Experte.

Gesundheitliche Auswirkungen seien nicht einwandfrei nachzuweisen. Allerdings könnten solche Magnetfeldverbiegungen bei besonders wetterfühligen Menschen Kopfschmerz oder allgemeines Unwohlsein verursachen.

Raoul Brosch vom Amateur Radio Club Leipzig-Plagwitz schiebt die Radiovielfalt eher aufs Wetter. „Das ist völlig normal bei einem Hochdruckgebiet, wie es derzeit vorherrscht“, meint der 42-Jährige. Die Luftverhältnisse würden sich ändern, es entstünden so genannte Inversionswetterlagen. Er persönlich habe bei vergangenen Überreichweiten Funkgespräche mit einem Spanier geführt. „Normal sind im UKW-Band Reichweiten bis 70 Kilometer“, so Brosch.

Und auch Roland Lippe vom Leipziger Amateurfunkclub Exklusiv kann von „sensationellen Reichweiten“ berichten. „Nicht nur im UKW-Bereich, einige andere Kurzwellen erlauben in diesen Tagen auch Verbindungen bis nach China oder die Mongolei.“

Tatsächlich bestätigt Torsten Müller, Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst in Leipzig ein vorherrschendes Hochdruckgebiet. „Xanthippe heißt es und wird uns noch bis kurz vor dem Wochenende erhalten bleiben“, sagt er.

Spätestens dann ist Schluss mit der neuen Radiovielfalt. Mancher wird’s bedauern.