Die Sache mit dem Blumenkübel

Seit wenigen Stunden wird eine Lokalgeschichte der Münsterschen Zeitung, Redaktion Neuenkirchen, durch das Twitterdorf gejagt. Der Artikel handelt von einem zerstörten Blumenkübel im Antoniusstift Neuenkirchen. Bewohner des Altenheims seien entsetzt, fassungslos und traurig. Es habe niemand etwas gesehen und der Kübel sei ja auch 150 Euro wert. Es mag an dem unfreiwillig komischen und ein wenig sensationsbetonten Schreibstil liegen, dass gerade diese Geschichte, die man in anderen Zeitungen wohl eher als kleine Polizeimeldung mitgenommen hätte, nun plötzlich die Aufmerksamkeit von gefühlt jedem zweiten Twitternutzer Deutschlands aufgegriffen wird. Das Hashtag #blumenkübel dürfte heute auf Platz 1 der deutschen Trending Topics liegen.

Während anfangs nur Sätze der Verständnislosigkeit über die scheinbar nicht vorhandene Relevanz des Themas getwittert wurden, setzte schnell Kreativität ein. Aktuelle Ereignisse wurden mit dem „Blumenkübel-Desaster“ verknüpft. Genau das ist es, was ich an Twitter so liebe. Einige Beispiele, wahllos herausgegriffen:

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Augenzeuge: „Überall war Erde.. Und dann diese Scherben.. Es war wie Krieg.“ #blumenkübel

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Steve Jobs: Auch #Blumenkübel anderer Hersteller gehen kaputt.

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#Blumenkübel geschändet, Politiker und Hinterbliebene fordern mehr #Überwachung zur Verhinderung ähnlicher Taten.

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#blumenkübel BILD spricht mit dem Schwager der Nichte. „Er war schon immer labil“!

Die Redaktion indes steht hinter der Autorin des Textes. „Die Autorin ist eine Praktikantin von uns, die heute ihre erste Praktikumswoche beendet hat. Natürlich hat diese Geschichte keinen großen Stellenwert für unseren Onlineauftritt. Aber wenn die Bewohner eines Altenheimes traurig sind über solch eine Tat, dann ist das für uns als Lokalredaktion ein Thema, das wir aufgreifen und darüber berichten“, sagte mir ein Redaktionsmitarbeiter. Er selbst wusste noch nichts vom Hype um die Blumenkübel-Story, fand die Reaktionen darauf aber „recht witzig.“

Ich selbst bin etwas zwiegespalten. Natürlich ist das keine Geschichte, die bundesweit interessiert. Allerdings – und da gebe ich dem Kollegen Recht – ist dieser Vorfall ein Thema für die Zeitung, wenn es Betroffene gibt. Nun erscheint ein Blumenkübel für 150 Euro keine große Sache, auch wenn es ein „großer Blumenkübel“ war. Für die direkt vom Thema betroffenen ist das allerdings ein Problem. Ich hätte hier sicher nur eine Mini-Meldung für’s Print im Stil einer Polizeimeldung draus gemacht. Für den Onlineauftritt taugt so ein Artikel jedenfalls nur bedingt.

Update 15:43 Uhr:
Die Kollegen der Münsterschen Zeitung freuen sich über den Hype und haben gleich einen längeren Artikel dazu verfasst.

24 Gedanken zu „Die Sache mit dem Blumenkübel

  1. Pingback: Tweets that mention Die Sache mit dem Blumenkübel » GROSSE WORTE -- Topsy.com
  2. Boom auf den Blumenkübel. It’s incredible. Wo sind die Videos dazu auf der Apfelseite?

  3. Ein bisschen Spass zum Donnerstag darf sein. Und es zeigt doch wunderbar, wie humoristisch twitter sein kann.

    Auch wenn die Praktikantin heute eher einen schweren Tag hat.

  4. Pingback: Experiment: Antoniusstift: Großer Blumenkübel zerstört – Münstersche Zeitung | Jochen Lott, Webworker
  5. Wenn fürs Internet nur Meldungen mit mindestens bundesweitem Stellenwert taugen, dann lohnen sich ja Hyperlokale Blogs nie im Leben. Ich finde, dass auch mini Lokalthemen ruhig ins Netz können.

    Die Nähe zu In China fällt ein Sack Reis um ist hier glaube ich nicht ganz unbedeutend gewesen…

  6. „Für den Onlineauftritt taugt so ein Artikel jedenfalls nur bedingt.“

    Inhaltlich stimme ich dir da voll zu. Aber was den Buzz betrifft nicht: Billiger geht Aufmerksamkeit kaum. Einfach Praktikanten hinsetzen, Bullshit schreiben lassen – und irgendeiner wird es lesen – und manchmal auch hypen.

  7. „Ich hätte hier sicher nur eine Mini-Meldung für’s Print im Stil einer Polizeimeldung draus gemacht. Für den Onlineauftritt taugt so ein Artikel jedenfalls nur bedingt.“

    Das versteh ich nicht.

    Natürlich ist die Meldung nur für Ortsansässige interessant. Aber warum sollten die die Nachricht nicht in der Online-Ausgabe lesen dürfen? Auch wenn die der Weltöffentlichkeit zugänglich ist, so bedeutet das doch nicht, dass dort nur Nachrichten veröffentlicht werden dürfen, die für die ganze Welt interessant sind.

  8. Sorry, aber warum „taugt“ so ein Artikel nur bedingt für das Internet? Das sind die Nachrichten, die ich von einer Lokalzeitung im Netz lesen will, das sind die Nachrichten, die für Lokalzeitungen die einzige Daseinsberechtigung sind. Das sind – nicht im ganz so kleinen, aber im Rahmen – doch auch die Artikel mit denen manches Blog extrem erfolgreich ist. Dass es zu so einem Hype auf twitter kommt hätte auch mit jeder anderen Meldung passieren können – Banalität gibt es im Netz genug, ich glaube der Ton ist hier einfach ein wenig übers Ziel. Ich verstehe auch nicht, warum Du so betonst, dass die Redaktion hinter der Autorin steht – wieso sollte sie nicht? Der Artikel ist inhaltlich korrekt, hat Relevanz und stand ja auch bereits in der Print-Ausgabe, muss also auch schon von jemandem mit mehr Erfahrung freigegeben worden sein. Ein wenig tut mir die Praktikanntin Leid, möge sie die ganze Sache mit dem nötigen Humor nehmen … 😉

  9. Die Praktikantin möge es mit Humor nehmen. Ist doch toll. Ich habe mich jedenfalls über das Twitter-Echo amüsiert. Genau das ist, denke ich der richtige Umgang damit.

    Nicht ernst nehmen.

    Die Meldung an sich hat schon einen Nachrichtenwert. Und warum nicht auf Online?

  10. Ich amüsiere mich gerade köstlich. Ich gehöre mit zu den ersten, die heute Vormittag mit dem Einbau des Blumenkübels in aktuelle Schlagzeilen und Themen begonnen haben. Das Ganze war ein riesiger Spaß und fast noch mehr Spaß macht es, jetzt die Analysten zu lesen, die diesem „Twittmob“ irgendwelche tiefschürfenden Erkenntnisse zu finden glauben. 🙂

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