Sonnenschein, leichter Wind und 15 Grad Lufttemperatur. Bei diesen frühlingshaften Voraussetzungen verbrachten viele Leipziger gestern den Tag im Freien. Die Freisitze der Stadt füllten sich, das wohl erste Eis des Jahres wurde geschleckt – und bei so manchem Pärchen machten sich schon mitten im Januar Frühlingsgefühle bemerkbar.
Lisa und Christoph beispielsweise liefen Händchen haltend durch die City, küssten sich zärtlich und zeigten ganz offen, dass sie zusammengehören. Mitten im Januar haben die beiden nach eigenen Aussagen Schmetterlinge im Bauch. „Ja, das ist eher ungewöhnlich. Bei dem Wetter würde ich am liebsten kurze Hosen tragen“, so der 19-Jährige aus Weißenfels. Der gleichaltrigen Lisa stand der Sinn nach Erholung auf der Wiese. „Wir werden uns jetzt vor Hugendubel in die Sonne setzen“, freute sich die Wurznerin. Nach dem Motto: Einfach mal die Seele baumeln lassen.
Lust auf Eis hatten dagegen zahlreiche Hörer von Radio Energy Sachsen. Moderatorin Friederike „Freddy“ Lippold hatte beim Eiscafé Pascucci in der Marktgalerie spezielles Glühwein-Eis geordert. „Wir wollten das Beste aus dem Winter mit dem Besten des Sommers kombinieren und kamen so auf die ungewöhnliche Zusammensetzung“, sagte sie. Eine Verkostung ließ die Geschmacksnerven erst erschaudern, was mit einem zerknitterten Gesicht quittiert wurde. Fazit: schmeckte anfangs wie abgestandener Glühwein vom Vortag, entpuppte sich nach zwei weiteren Löffeln aber durchaus als interessante Mischung.
Die erste Pause des Jahres in einem Freisitz verbrachten gestern Elena und Yurie. Die Studentinnen aus Russland und Japan nutzten die warmen Temperaturen, um einen Kaffee und einen Tee im Spizz zu trinken. „Ich glaube ja, der Winter kommt noch“, meinte Yurie auf die Frage, ob ihr die milden Temperaturen Angst machen. „Eigentlich brauchen wir keinen Schnee, aber zu denken gibt einem das schon“, konstatierte Elena.
„Alles halb so schlimm“, meint Michael Klein. Der Meteorologe von Radio Leipzig fordert ganz offen: „Wir müssen endlich aufhören, über das Wetter zu jammern.“ Denn die milden Temperaturen haben auch ihre guten Seiten, wie er erklärt: „Es gibt weniger Unfälle, weil die Straßen nicht glatt sind. Und die Heizkosten sinken, außerdem gibt es weniger Kältetote und weil die Baubranche durcharbeiten kann, brummt auch der Arbeitsmarkt.“
Wenig lachen über das Wetter kann Gudrun Natschke vom Igelschutzzentrum Leipzig. „Bei 10 Grad und mehr erwachen die Igel aus dem Winterschlaf“, klärt sie auf. Teilweise wären die Tiere noch gar nicht richtig in den Schlaf gefallen sondern in einer Art Dämmerphase. „Dabei fressen sie nichts und verbrauchen im Schlaf Energie, während sie im Winterschlaf den Stoffwechsel weitgehend ausschalten.“ Wenn ein Igel jetzt auf Nahrungssuche geht, würde er trotzdem nur wenig finden. Und was passiert, wenn es gar nicht mehr kalt wird? „Ohne Panik verbreiten zu wollen, würde ich schätzen, dass die Population stärker dezimiert wird als in richtigen Wintern. Und zwar nicht nur bei Igeln sondern allen Tieren, die jetzt eigentlich Winterschlaf halten“, so Natschke.
Erschien mit weiteren Infos meines Kollegen Alexander Weise am 11.01. 2006 in der Leipziger Volkszeitung.