Trotz Ablehnung: Leipzig hat nun eine Facebook-Seite

Vor 14 Tagen schrieb ich an dieser Stelle über den Antrag der FDP-Fraktion im Leipziger Rathaus, welcher die Einrichtung einer kommunalen Facebook-Seite inklusive Ausarbeitung eines Nutzungskonzeptes vorsah. Nachdem sich der Verwaltungsausschuss damit beschäftigte, war ziemlich schnell klar: Der FDP-Antrag wird abgelehnt, weil der Relaunch von leipzig.de Vorrang hätte. Doch seit gestern ist plötzlich alles anders.
Gestern nämlich wurde in der Ratsversammlung dem FDP-Antrag doch stattgegeben. Die Fraktion der Grünen hat das so protokolliert:

16.35 Uhr / Der FDP-Antrag Facebook-Page einrichten & Web 2.0-Nutzungskonzept erstellen wird aufgerufen. Die FDP-Fraktion ist der Auffassung, dass die Stadt Leipzig die Möglichkeit auf Facebook mit einer eigenen Seite präsent als Eigenwerbung nutzen sollte.
Die Stadtratsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen fragt sich, warum es eines solchen Antrages überhaupt bedarf und die Verwaltung nicht von selbst auf diese Idee gekommen ist und längst ihre Arbeit diesbezüglich getan hat. Bereits andere deutsche Großstädte, wie z.B. München oder Stuttgart, haben eigene Seiten auf Facebook eingerichtet. Votum des Stadtrates: angenommen.

Allen Stadträten war damit klar: Leipzig bekommt eine Facebook-Seite. Wie schnell das Ganze dann gehen sollte, überrascht dann doch. Denn offenbar noch während der Ratsversammlung wurde die bereits bestehende Facebook-Seite leipzigcity von der Leipzig Tourismus und Marketing GmbH (LTM) übernommen. Einen direkten Zusammenhang mit dem Antrag der FDP schließt Jamina Jahnel, Assistentin des Geschäftsführers Volker Bremer aber aus. Vielmehr war man bereits seit längerer Zeit mit dem privaten Betreiber im Gespräch. Ihm, einem noch nicht näher genannten „Filmproduzenten aus Leipzig“, legte man ein Konzept vor, das ihn überzeugt hätte, weshalb er schließlich der Übertragung der Seite zugestimmt hätte.

„Wir befinden uns gerade in einem Entwicklungsprozess. In den vergangenen zwei Jahren ist Social Media verstärkt aktuell geworden. Uns war schnell klar, dass auch wir uns da einarbeiten müssen“, so Jahnel. Zum Einstieg habe man darum die Seite „Näher dran“ für das gleichnamige Magazin der LTM gestartet. Danach gab es noch das Debakel um das Privatprofil „Leipzig Tourismus“, bei dem die LTM nicht gerade Kompetenz in Sachen Social Media und Facebook-Benutzung bewies. Das Profil ist mittlerweile gelöscht, eine Umgestaltung in eine Seite, wie es Sprecher Andreas Schmidt mir gegenüber äußerte, ist nie passiert.

Es wäre nun vielleicht etwas leicht und auch polemisch, Bedenken zu hegen, ob die LTM, geeignet ist, die Facebook-Seite einer Stadt mit derzeit immerhin 27.000 Fans zu betreuen. Jamina Jahnel zumindest ist der Auffassung, dass es klappen kann. „Ja, es gibt bereits ein Konzept“, betont sie nochmals und nennt Auszüge: „Wir wollen Leipziger und potentielle Besucher aus der ganzen Welt erreichen, wollen unparteiisch berichten, Impulse für Dialog geben und durch Aktionen und schnelle News die Fanzahlen erhöhen“, sagt sie. Zudem sollen Bilder und Videos das schöne Leipzig zeigen, aus sei bereits der Youtube-Kanal der Stadt eingebunden.

Das alles klingt zwar weniger nach Konzept sondern mehr nach Maßnahmen eines Konzeptes, Fakt sei aber laut Jahnel, dass der Schwerpunkt auf Facebook liege, Youtube weiter genutzt werden und Twitter ausgebaut werden solle. Auch werde geprüft, inwieweit Geolocation für die Stadt eine Rolle spielen könne.

Ganz in Eigenregie solle das nicht von statten gehen. „Das Konzept wurde vor einiger Zeit von uns entwickelt, wir nehmen gerade mit einer Agentur Kontakt auf, um auszuloten, wie eine Zusammenarbeit aussehen könne“, so Jahnel. Ob das am Ende eine Leipziger Agentur sei, konnte sie noch nicht sagen. Es wäre allerdings beschämend für die LTM, wenn sie hier nicht fündig werden würde. Die LTM ist gut beraten, vor allem in Leipzig Gespräche aufzunehmen, wenn sie sich nicht vollends lächerlich und unglaubwürdig machen will. Eine Agentur aus einer anderen Stadt zu beauftragen würde am Ende sämtliche derzeitige Bemühungen der Wirtschaftsförderung um eine Vernetzung der Kreativwirtschaft zunichte machen.

Oliver Dorausch, FDP-Fraktionsgeschäftsführer indes wundert sich über ganz andere Dinge: „Ich verstehe nicht, wie man einerseits im Verwaltungsstandpunkt sagen kann, wir wollen keine Facebook-Seite, sich aber an anderer Stelle bereits darum bemüht“, sagt er. Direkt nach dem Beschluss des Stadtrates verkündete OBM Burkhard Jung gestern, dass er noch eine „gute Nachricht“ hätte. Man habe mit dem Inhaber der privaten Seite gesprochen und sich schon geeinigt. „Da ist in der Sache wirklich wunderbar und dem bisherigen Inhaber der Seite ist auch zu danken. Was nur verwundert ist die Tatsache, dass der OBM sagt, aufgrund des Relaunches von leipzig.de seien die Kapazitäten gebunden und mit einem Nutzungskonzept sei erst im 4. Quartal zu rechnen. Auf der anderen Seite arbeitet die LTM aber offenbar bereits mit oder an einem Konzept. Da fragen wir uns schon, warum wir das Konzept erst im 4. Quartal zu Gesicht bekommen sollen.“

An Leipzigs Kreative gerichtet sagt Oliver Dorausch: „Ich hoffe, dass Sie sich zu Wort melden und konstruktiv beteiligen.“ Zudem hoffe er, dass „die Stadt schnell erkennt, dass Facebook vor allem ein Medium zur Kommunikation miteinander ist. Die Stadt wäre gut beraten, auf Fachleute zu hören, die hier ihr täglich Brot im Web 2.0 verdienen“, so führt er weiter aus. Zudem sollte die Facebook-Seite nicht nur touristisches Angebot sein, sondern auch die Leipziger ansprechen. „Stadtratsbeschlüsse und andere Neuigkeiten, die Leipziger schnell erreichen müssen, könnten dort publiziert werden“, sagt er.

Letzteres scheint bereits zu klappen. Eine erste Statusmeldung war der Hinweis auf das Bürgerfest WESTPAKET, einem Kreativ-Trödelmarkt. Sub- statt Hochkultur – und das von der LTM! Dürfte interessant zu sehen sein, wie lange dies durchgehalten wird.

8 Gedanken zu „Trotz Ablehnung: Leipzig hat nun eine Facebook-Seite

  1. Hoffen wir, dass das Facebook-Angebot die Nicht-Facebooker nicht ausschließen wird.

  2. Der FDP-Geschäftsführer hat die Stellungnahme der Verwaltung anscheinend nicht richtig gelesen, denn sost wäre ihm aufgefallen, dass darin keine grundsätzliche Ablehnung einer Facebook-Seite zu finden war. Mit dem Relaunch der Seite sollte auch die Social-Media-Anwendungen kommen. Aber sei’s drum, die Seite wird ja nun von öffentlicher Seite betreut und das ist auch gut so.

  3. Doch, im Kern wurde schon abgelehnt. Im Verwaltungsstandpunkt hieß es unter „Alternativvorschlag“: „Mit einer eigenen Facebookseite ist die Stadt Leipzig noch nicht präsent. Ihre Einrichtung würde einen kontinuierlichen, zusätzlichen personellen Aufwand erfordern, der mit den vorhandenen Mitarbeitern nicht abgedeckt werden kann. Aufgrund der Haushaltssituation der Stadt Leipzig wird die Einrichtung einer zusätzlichen Stelle für diese Aufgabe derzeit abgelehnt. Nach der Umsetzung des Relaunches ist über einen schrittweisen Ausbau der Social-Media-Aktivitäten zu entscheiden.“

    Direkt abgelehnt wurde die kurzfristige Erstellung eines Konzeptes, da das bisherige offenbar reicht bzw. bis 4. Quartal ein neues ausgearbeitet werden soll.
    Nachzulesen hier: http://blog.lvz-online.de/gros.....dpunkt.pdf

  4. Ganz toll. Ich würde mir echt wünschen die Stadt wäre bei anderen Dingen ebenso schnell und konsequent wie in diesem Fall. Wenn ich mir überlege, wie viele (gute) Dinge mit dem Verweis auf den Verwaltungsstandpunkt abgelehnt wurden.

    Im übrigen habe ich meinem Kommentar hier (http://www.kreatives-leipzig.d.....media.html) nix hinzuzufügen: statt sich um Open Government und ähnliches zu kümmern – dazu gehört auch der Relaunch der Seite leipzig.de – begibt Mensch sich in einen Walled Garden und freut sich auch noch darüber.

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