Die Kolumne „Boulevard“ der Leipziger Volkszeitung ist eine Rubrik, über die man trefflich streiten kann. Hier sammeln die Kollegen seit vielen Jahren (anfänglich unter dem Namen „Leute in Leipzig“, später „BouL.E.vard“) kleine Zwischengeschichten, die sonst nirgends Platz finden. Meist sind dies Artikel zu Promis oder wenigstens Persönlichkeiten der Stadt. Das alles muss man nicht lesen, man verpasst nichts, wenn man die wenigen Zeilen langen Geschichten nicht kennt. Aber meist ist es ganz unterhaltsam, was dort steht. Auch ich habe in der Vergangenheit für diese Rubrik Artikel und Fotos geliefert. Buntes und leicht verdauliches für Zwischendurch halt, das niemandem weh tut. Über die Relevanz des Ganzen muss jeder selbst urteilen.
Allerdings: Wenn gut gemeinter Sarkasmus auf Unternehmensdarstellungen und Produktvorstellungen treffen, geht das ganz leicht schief und in Richtung Schleichwerbung. Am 1. Juli veröffentlichte Redakteur Guido Schäfer, den Meisten vor allem durch seine lockeren und amüsanten Sportberichte ein Begriff, einen Artikel über einen Leipziger Physiotherapeuten. Dem Text zufolge ist dieser wohl eine Art Prominenter, weil er der Sohn einer Leipziger Fußball-Legende ist. Zudem ist der der „Medizinmann der Roten Bullen“, schreibt Schäfer. Der Physiotherapeut habe jetzt als „letzten Schrei“ eine „Sportsalbe kreiert und zur Marktreife gebracht“.
Diese Salbe muss Guido Schäfer derart beeindruckt haben, dass er diese und seinen Erfinder derart huldigt, dass man sich Sorgen um die journalistische Sorgfalt machen muss: So nennt er das Produkt unverhohlen „Wundersalbe“, druckt freundlicherweise die Internetadresse dazu, behauptet, RB-Kapitän Daniel Frahn schwöre auf das „Stöffchen“. Auch wird ein Hobby-Fußballer zitiert, der von der Salbe angeblich „abgeht wie ein Zäpfchen“. Auch Schäfer hat die Salbe probiert – allerdings auf eine Art, die man sich nicht vorstellen möchte. Grafisch unterstützt wird der Text von einem Foto des Physiotherapeuten (mit eigener Praxis am Waldplatz) nebst einer Produktabbildung der Sportsalbe. Darunter ist zu lesen: „Bringt Lahme zum Gehen und zieht dahin, wo es weh tut…“
Ich habe Jan Emendörfer, Chefredakteur der Leipziger Volkszeitung, sowie Susanne Bömmel, Sprecherin des Madsack Verlages, darum gebeten, mir zu erklären, wie dieses Gesamtpaket aus Text und Fotos mit den Richtlinien 7.1 und 7.2 des Pressekodex zu vereinbaren ist. Eine entsprechende Anfrage sendete ich am 1. Juli, am 4. Juli und am heutigen 9. Juli an beide Adressaten. Geantwortet hatte mir bis zum heutigen Tag niemand.
Darum schrieb ich Guido Schäfer direkt eine Mail und bat ihn um Stellungnahme. Er rief sogleich zurück. Sicher sei das nicht optimal gelaufen, allerdings sei das nun kein Grund, derart ein Fass aufzumachen und gleich dazu zu bloggen. Aber wenn ich unbedingt wolle… In seiner Rubrik kämen oft solche Geschichten zum Tragen, das dürfe man nicht allzu ernst nehmen, hier ginge es ja auch nicht um die großen Millionen, meinte Guido. Nein, darum nicht, sondern lediglich um so etwas wie journalistische Sorgfalt und eben den Pressekodex. Ob denn niemand mehr über das liest, was die Redakteure so schreiben, wollte ich wissen. Natürlich doch, aber er habe viele Freiheiten. Beispielsweise die, direkt auf eine Anfrage zu antworten. Da müsse man nicht gleich Madsack fragen, meinte er sinngemäß.
Es mag ein Zufall sein, dass kurz danach Madsack-Sprecherin Susanne Bömmel bei mir anrief, um mir mitzuteilen, dass ich keine Antwort zu erwarten brauche. Prima. So kommunizieren also Medienhäuser im Jahre 2014.
Was der Deutsche Presserat zu diesem Fall von Schleichwerbung sagt, wird sich zeigen. Dass die Sanktionen eher harmlos sind und den Verlagen nicht weh tun, darüber müssen wir nicht reden. Hier ging es einfach ums Prinzip.
Das ursprünglich an dieser Stelle verlinkte PDF der Seite habe ich sicherheitshalber gelöscht, um keinen Urheberrechtsanspruch der LVZ herauszufordern.
Sorry, Daniel, aber hier steige ich aus. Du wirfst dem LVZ-Kollegen mangelnde Sorgfalt vor, bist aber selbst ausgesprochen undifferenziert und einseitig in deiner Darstellung.
Du schreibst etwa, der Autor nennt die Salbe „Wundersalbe“ und stellst das so dar, als würde er die Salbe auch als solche betrachten. Da steht im Originaltext aber „seine Wundersalbe“, was aus meiner Sicht die ironische Distanz deutlich macht und ein klarer Unterschied zu deiner (einseitigen) Beschreibung darstellt. Unterschlägst du die Ironie/Distanz, weil sie Dir nicht ins Konzept passt? Sich die Sachen so zurechtzubiegen – ist das sorgfältig(er) bzw. sauberer Journalismus, den Du hier betreibst? Wohl kaum.
Dann: Aus meiner Sicht reichen die Herkunft wie auch die Funktion als „Medizinmann der Roten Bullen“ durchaus aus, um ihn in einer Stadt wie Leipzig „Promi“ zu nennen und seine Aktivitäten in der Boulevardspalte zu thematisieren. Selbst wenn er nur C- oder D- oder X-Promi ist, der gern A-Promi wäre – warum denn auch nicht?! Den Link nicht zu nennen, wäre aus meiner Sicht schlechter Service.
Deine Argumentation hier halte ich für ausgesprochen dünn und nicht stichhaltig. Ein stichhaltiger Beleg wäre gewesen, wenn der Mensch auch Anzeigen schaltet und du das dokumentierst. Oder Dir etwas Schriftliches vorliegt, aus dem eine Vereinbarung zur Berichterstattung hervorginge. Du aber bleibst so einen Beleg schuldig, arbeitest mit (zurechtgedrehten) Eindrücken und formulierst daraus Unterstellungen, die an Verleumndung grenzen. Oder weißt Du mehr (was ich mal vermute) und lässt das den Leser nicht wissen? Auch das würde ich als ausgesprochen unsaubere Arbeitsweise bezeichnen.
In jedem Fall ist das hier eine extrem einseitige und damit unjournalistische Vorgehensweise, die Du hier an den Tag legst. Dass Du dann ausgerechnet noch auf den Pressekodex verweist – das ist schon regelrecht unverschämt.
Ehrlich, Du tust dem Journalismus damit keinen Gefallen. Und bestätigst aus meiner Sicht noch alle Vorurteile gegenüber Blogs und Bloggern – und das, obwohl Du Dich Journalist nennst.
Es ist nicht einfach, in einer Stadt wie Leipzig über Prominente zu schreiben. Denn A- und B-Promis gibt es nicht – ein Blick auf die Köpfe der Hutträgerinnen beim Pferderennen bestätigt dies.
C-Personal aus EMDEER-Serien ist auch nicht immer greifbar. Insofern hat es Schäfer schwer. Ich erinnere mich noch an peinliche Leute-Kolumnen „unserer Zeitung“, in der Führungskräfte des Grünflächenamtes und Chefs von Wasser- bzw. Energieversorgern zu „Prominenten“ gemacht wurden. Kein Redakteur in Berlin oder Frankfurt müsste sich so erniedrigen…
Hallo Peter (owy),
zuerst: Ich bin einigermaßen verwundert über Deinen scharfen Ton, schlechte Woche gehabt? Dennoch danke für Deine Sichtweise.
Ich bin nach wie vor der Meinung, dass hier nicht sauber gearbeitet wurde, Guido bestätigte dies ja im Telefongespräch sogar, fand es gleichzeitig aber nicht weiter schlimm. Ironische Distanz passt in dieser Kolumne ganz prima, auch seine Fußballberichte schreibt Guido ja in dieser Ironie. Allerdings: Wenn dann ein privater Unternehmer mit einer Internetadresse und einem Produktfoto belohnt wird, hört der Spaß auf. Vor allem, wenn man bedenkt, wie (teilweise sinnlos) in der LVZ sonst mit Unternehmensnamen umgegangen wird. Da wird aus einer dpa-Meldung, in der steht, dass Radio XYZ dies und jenes exklusiv recherchiert hat, der Sendername gekürzt, so dass es nur noch „ein Radiosender“ heißt. Da werden in Polizeiberichten die Namen der Läden rausgestrichen, die am Vortag überfallen worden. „Ein Supermarkt in der XYZ-Straße“ – ist das nun Zurückhaltung und Angst, man könne Werbung machen oder einfach nur Distanz dem „Opfer“ gegenüber? Man weiß es nicht. So zieht sich das immer weiter. Auf der einen Seite wird peinlich genau aufgepasst, keine Werbung zu machen, aber in der locker-flockigen Rubrik Boulevard geht plötzlich alles?
Und nein, ich finde auch nicht, dass „seine Wundersalbe“ in irgendeiner Weise erkennen lässt, dass es sich hier um ironische Distanz handele. Ich weiß, wie Guido schreibt und weiß, wie diese Rubrik gemeint ist. Produktwerbung geht da trotzdem nicht. Das ist meine Meinung, die musst Du nicht teilen, zurechtgebogen habe ich mir hier aber auch nichts.
Ob der Physiotherapeut nun ein Promi ist oder nicht, ist meiner Meinung nach auch irrelevant. Er mag ein guter Masseur sein, ein Zweitligist mag wichtig für die Stadt sein, alles okay. Seine sportmedizinische Tätigkeit hat jedoch mit der im Text beworbenen Salbe nur am Rande zu tun. Wenn Guido geschrieben hätte, er setze eine Salbe ein, die er selbst entwickelt hat und den Fußballern hilft – alles prima. Dann aber gleichzeitig zu erwähnen, die Salbe gibt es auch für alle zu kaufen, inklusive dieser beschriebenen Lobhudeleien und Superlative, das ist in meinen Augen Schleichwerbung. Fehlte nur noch, dass hinter dem Link ein Onlineshop anstatt einer Visitenkartenwebsite steckt.
Dass hier Gelder geflossen sind oder es irgendeine Vereinbarung gibt, behaupte ich gar nicht und das glaube ich auch nicht. Vielleicht wollte Guido seinem Kumpel einen kleinen Gefallen tun, mag sein. Das wäre aber auch in abgeschwächter Form gegangen und nicht mit Produktfoto. Ich weiß auch nicht mehr und halte kein Wissen zurück. Das einzige, was Guido durchblicken ließ, ist, dass der Medizinmann wohl drei, vier Dosen der Salbe verkauft hat nach dem Artikel. Da wirkte der Bericht wohl tatsächlich mehr, als manche Anzeige, die einfach so verpufft.
Mir Einseitigkeit vorzuwerfen ist meiner Meinung nach eine Frechheit, wenn Du Dir vor Augen hältst, wie oft ich versucht habe, von Chefredaktion und Verlag eine Stellungnahme zu bekommen. Zudem habe ich den Autor zitiert, der selbst zugibt, dass das nicht optimal gelaufen sei, es ihm aber gelinde gesagt auch egal ist. Ich bleibe dabei: Hier wird gegen den Pressekodex in dem Sinne verstoßen, dass Schleichwerbung betrieben wird. Ob beabsichtigt, beauftragt oder gar durch Zahlungen gefördert, bleibt in dem Fall egal.
Und gerade weil ich auch Journalist bin, beobachte ich das Treiben der Akteure kritisch. Nicht selten werden Artikel von freien Journalisten abgelehnt, weil gefürchtet wird, man könne zu viel PR mit dieser oder jener Geschichte machen. Alles schon passiert, auch bei mir und bei der LVZ. Mein Artikel soll nun keineswegs eine Retourkutsche sein, sondern zum Ausdruck bringen, dass ich einigermaßen verwundert bin, was plötzlich alles durchgeht. Mag vielleicht damit zu tun haben, dass sich Guido Schäfer neuerdings laut Impressum als „Chefreporter“ bezeichnen darf. Was ich auch wieder merkwürdig finde, dass jemand, dessen ausschließliches Steckenpferd der Fußball ist, ein Chefreporter sein kann, aber das müssen die Kollegen selbst wissen.
Was in dem Zusammenhang vielleicht erwähnenswert ist: Es ist ja nicht das einzige Beispiel, dass privat-persönliche Verquickungen in Guidos Kolumne stattfinden. In selbem Text, der hier oben verlinkt ist, wird die Eröffnung des TRIAS thematisiert. Moderiert hat die Eröffnung unter anderem auch Guido Schäfer. In Guidos Kolumne wurde die Eröffnung natürlich breit gefahren – ohne zu erwähnen, dass er nicht nur berichtend vor Ort, sondern als Moderator gebucht war. Inzwischen bestätigte das Immo-Unternehmen zwar, dass es keinen Auftrag zur PR für die Eröffnungsfeier an Schäfer gab. Sauber wäre aber gewesen, zumindest zu schreiben, dass man nicht nur aus redaktionellen Gründen dort vor Ort, sondern gebucht war.
Kurzer Nachtrag noch: Für das Immo-Unternehmen war ich auch mal tätig, der Vertrag lief aus, weil er auf Kundenseite (lustigerweise war das die LVZ) auch auslief. Dass ich das Beispiel der TRIAS-Eröffnung hier erwähne hat damit aber nichts zu tun, ich hege keinen Hass oder Rache auf das Unternehmen und seinen Geschäftsführer. Das nur als Offenlegung, bevor mir das negativ ausgelegt wird….
Danke für die Antwort, Daniel, und sorry für den scharfen Ton – es regt mich nur auf, wie unsachlich Du an die Sache rangehst – weil es in meinen Augen auch nicht das erste Mal ist. Von außen betrachtet, dass habe ich ja versucht darzulegen, wirkt deine Geschichte wie an den Haaren herbeigezogen. Sorry, seh ich so.
Und nur, damit keine Missverständnisse auftauchen: Ich will sicher nicht den Kolumnisten verteidigen, über dessen „Beförderung“ in diesen stürmischen Zeiten auch in Dresden schon getrascht wird… Aber wenn Du es schon machst, dann mach es bitte richtig.
Danke, Peter. Aber wie gesagt, ich finde es nicht an den Haaren herbeigezogen, hier von Schleichwerbung zu sprechen, wenn ein Produkt genannt, abgebildet und verlinkt wird.