Wer aufmerksam das Fernsehen verfolgt, bemerkt schnell das Phänomen: Es wird geklaut, was das Zeug hält. Improvisations-Shows, Chartsendungen oder Rückblicke – kaum hat ein Sender erfolgreich einen Trend kreiert, kopieren ihn andere Stationen und schreiben sich den Erfolg zu.
Das Gleiche trifft auch für die deutsche Radio-Landschaft zu – teilweise sogar noch offensichtlicher. Ein Beispiel für den Ideenklau ist „Das geheimnisvolle Geräusch“, das in der Vergangenheit von Nord bis Süd und auch in Sachsen gespielt wurde. Ebenso immer wieder hervorgeholt werden Wechselgeldaktionen von 10 in 10.000 Euro oder Zockerrunden mit den Hörern um Bares. Wer nicht vorher schon vor Langeweile abgeschaltet hat, wird im schlimmsten Fall von einem italienischen Mafiosi erschossen.
Jetzt springt Radio Leipzig 91 Punkt 3 auf einen Zug auf, der sich „Rückwärtsversteigerung“ nennt. Hörer sollen für einen geringen Betrag ein Auto ersteigern können. Auch dieses Konzept ist bereits erprobt – der Sender bedient sich hier bei 104.6 RTL in Berlin. Dort wurde in den zurückliegenden Wochen ein 350.000 Euro Haus mit Grundstück auf diese Weise versteigert. Ein Familienvater musste dafür lediglich 99,82 Euro zahlen. Er hatte das niedrigste allein stehende Gebot abgegeben.
Auf das gleiche System setzt nun Radio Leipzig. Statt einem Haus soll ein Auto unter den Hammer kommen. Programmchef Uwe Schneider ist stolz auf die Aktion, die es „so im deutschen Radio noch nicht gab“, wie er sagt. Stimmt, das Auto im Radio ist neu. Allerdings wurde kürzlich im Fernsehen ein Alfa Romeo rückwärts versteigert. Bei „Big Brother“ wechselte das Gefährt für gerade mal 20,65 Euro den Besitzer.
Im Internet existiert diese Art des Verkaufens bereits seit November 2003. Damals startete mit azubo.de die erste Plattform für Rückwärtsversteigerungen. Seitdem werden Haushaltsartikel, Bücher, Elektrogeräte, Handys, Computerartikel oder sogar Autos und Häuser rückwärts versteigert. „Aktuell sind knapp 250.000 Mitglieder registriert“, sagt der 22-jährige Mitgründer Pierre Ludigkeit.
Und auch die Aktion von Radio Leipzig scheint unter einem guten Stern zu stehen. Bereits am ersten Tag wollten nach Senderangaben mehrere tausend Hörer die Chance auf ein preisgünstiges Auto nutzen und wählten die Servicerufnummer oder schickten eine SMS. Für jeweils 49 Cent. Vorwürfe, die Station würde an den Einnahmen gut mitverdienen, weist Programmchef Schneider zurück. „Die Ausschüttung solcher Mehrwertdienste ist verschwindend gering.“
Diese Meinung teilt die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post zwar nicht grundsätzlich, Pressesprecher Rudolf Boll kann aber keine genauen Angaben zum Ertrag machen. „Das ist Verhandlungssache zwischen beiden Vertragsparteien.“ Und Bettina Seute vom Onlinemagazin teltarif.de ergänzt: „Es kommt auch auf das Volumen an, je nachdem wie oft diese Nummer angerufen wird. Einen Richt- oder Mittelwert festzulegen, ist unmöglich.“
Eines ist aber unbestreitbar: Weil die Rückwärtsversteigerung im Radio noch relativ neu ist, weckt sie das Interesse der Hörer und fördert so die Quote. Scheint, als sei Radio Leipzig rechtzeitig aufgesprungen. Bevor die Idee noch jemand klaut.
Erschienen in der Leipziger Volkszeitung