Susanne Krauß studiert Diplom-Journalistik an der Universität Leipzig. Im Februar (glaube ich) war die 26-jährige hier, um für ihre Diplomarbeit zu recherchieren. Thema: „Weblogs als soziale Netzwerke. Eine qualitative Beziehungsanalyse“. Und es ist überraschend und teilweise auch sehr unterhaltend, was Susanne rausgefunden hat. Ich zitiere hier mal einige Dinge.
Untersucht wurden private Weblogs, journalismusnahe Weblogs und Blogs von freien Journalisten. Neben mir durfte auch Mario Scheuermann vom Drink Tank seine Gedanken und Erfahrungen weitergeben. Untersucht wurde eigentlich alles: die Häufigkeit der Einträge, die Kommentare, woher sie kommen und worüber wir bloggen. Bei mir sieht das in den drei untersuchten Monaten so aus:
Für die ZA (Zitationsaktivität) von Daniel Große ergibt sich ein Wert von 50,41. Das heißt, dass sich der Autor überhaupt nur in der Hälfte seiner Einträge auf eine externe Quelle bezog und dann vor allem auf Inhalte der Online-Medien (54 Einträge). In lediglich sieben Einträgen zitierte Daniel Große den Inhalt von Massenmedien, unter anderem die Leipziger Volkszeitung, das Handelsblatt, die Welt und den MDR. Obwohl also der Leipziger selbst journalistisch arbeitet, greift er beim Bloggen sehr wenig auf die genuinen Massenmedien (inklusive deren Online-Seiten) als Themen- und Informationslieferant zurück. Viel mehr verwies er in den untersuchten Einträgen auf Informationen aus dem Netz: in 44,0 Prozent der Posts. Mitteilungen auf Unternehmensseiten zählten ebenso dazu wie andere Weblogs und journalistische Online-Seiten wie News Aktuell, die Leipziger Internet-Zeitung und heise.de.
Auch zum Thema Blogroll wurden wir befragt. Ich habe geantwortet:
„Man schreibt in eine Blogroll natürlich gerne Leute, mit denen man irgendwie zusammen sein möchte oder mit denen man so ein Zugehörigkeitsgefühl haben möchte. Ob die anderen wollen, das man da drin steht, weiß ich nicht. Also, ich hab momentan keine.“
Susanne schreibt weiter:
Ähnlich wie die beiden journalismusnahen Blogger schreiben Daniel Große und Mario Scheuermann den verschiedenen Blog-Tools nur eingeschränkt soziale Funktionen zu. […] Das Ankerbeispiel von Daniel Große zeigt, dass auch dieser der Blogroll
eher skeptisch gegenübersteht. Er selbst hat „aus technischen Gründen“ keine, kritisiert aber auch, dass mit einer Blogroll teilweise eine Nähe zu anderen Blogs suggeriert werde, die gar nicht existiere.Weitaus mehr Bedeutung haben für ihn Trackbacks. „Weil man mit dem Trackback eher zeigt, ich hab’s gelesen und finde das gut oder eben auch nicht oder ich nehme Bezug darauf und verlinke dich mal.“ Der Blogger interpretiert hier eine textuelle Verbindung als Ausdruck einer Wertschätzung. Gleichwohl kennt er das Problem, „dass man gar nicht erkennt, warum hat der jetzt den Trackback auf dich gesetzt“. Damit wird erneut deutlich, dass die soziale Bedeutung hypertextueller Strukturen oft nicht eindeutig zu erkennen ist. Ein Trackback wird erst dann einen sozialen Effekt haben, wenn Sender und Empfänger über eine gemeinsame Interpretationsbasis verfügen, das heißt, sich aus vorausgegangenen Interaktionen bereits „kennen“.
Und ein Name taucht immer wieder auf: Thomas Gigold. Meist im Zusammenhang mit Worten wie „Schlüsselfigur“ oder „zentrale Rolle“. Ist ja auch so. Aber nicht nur, weil wir auf „wirtschaftlicher Arbeitsebene“ sehr gut zusammen funktionieren, sondern weil mir Thomas seit den drei Jahren, in denen wir uns kennen, zum wirklichen Freund geworden ist.
Sehr schön ist im übrigen auch die Formlierung „aus Antipathie geprägter Neugier“. Damit beschreibt Susanne den Beweggrund, warum ich manche Blogs besuche, obwohl mir die Personen dahinter praktisch nichts bedeuten.
Insgesamt eine wirklich interessante und sehr gute Diplomarbeit, wie ich finde. Beschlossen wird die Arbeit mit dem Ausblick:
Freilich tritt der Netzwerkaspekt eines Weblogs nur in zweiter Ebene zu Tage, für Journalisten wird der primäre Anreiz stets das Publizieren in unkonventioneller Form sein. Dennoch zeigen bereits die Beispiele eines Mario Scheuermann und eines Daniel Große, welches Potential in diesem Format steckt, als vernetzter Journalist neue virtuelle Räume zu erobern. Sie sind Pioniere einer Entwicklung, die unter den deutschen Medienschaffenden erst noch am Anfang steht.
Update:Mario Scheuermann hat noch bisschen mehr zitiert.
Eine kleine Korrektur: Ich studiere Diplom-Journalistik. Trotz alledem hat es mich sehr gefreut, hier eine Notiz zu finden – weiterhin viel Spaß beim Stöbern!
Hi Susanne, wird geändert. 🙂 Hat mich auch gefreut.
danke, freut mich.