Taucha. „Na komm, Moritz, komm raus!“ Mit ruhiger Stimme lockt Bernd Hoffmann von der Naturschutzstation des Zweckverbandes Parthenaue den großen Wasserbüffel aus dem Gehege am Schmiedehöfchen. Hoffmanns Plan: der Rest der Herde, vier Färsen (Kühe) und drei Kälber, soll dem Bullen ins Winterquartier in Dewitz folgen. In sicherer Entferung: ein gutes Dutzend Schaulustiger, das am Sonntagvormittag das Schauspiel verfolgt, das sich zwei Mal im Jahr abspielt. Dieses Mal kommt es allerdings anders als geplant.
Moritz trabt langsam von der Wiese, gefolgt von den Kühen. Die Kälber, die erst im Mai geboren wurden, sind verunsichert. Eins geht mit, zwei brechen aus und flüchten ins Gehege zurück. Der Rest der Herde rennt unterdessen hundert Meter weiter, quer über den Parkplatz des Kleingartenvereins Parkruhe, hinunter zu einer anderen Wiese. Dort bleiben die Tiere stehen, grasen friedlich. Währenddessen hört man die Kälber von der Nachbarwiese rufen. Eine Mischung aus Blöken und Muhen. „Sie rufen ihre Mutter“, analysiert Holger Weichhan. Ihm gehören die Wasserbüffel, die er seit vier Jahren zur Landschaftspflege und zur Fleischgewinnung hält. Im Frühjahr treibt er die Herde von seinem kleinen Bauernhof an der Weltewitzer Straße zur Weide am Schmiedehöfchen, um sie im Herbst wieder zurück zu holen. „Die großen Tiere kennen das Spiel, für die Kälber ist das alles neu“, versucht Doreen Langer, Weichhans Freundin, das Durcheinander zu entschuldigen.
Die Kälber blöken immer noch. Bruno und Betsy heißen sie. „Die sind wohl schlecht erzogen“, versucht ein Passant zu scherzen, als Holger Weichhan und seine Helfer vorbeigehen. „Wir können jetzt nur versuchen, die Herde zurückzutreiben und hoffen, dass beim zweiten Anlauf alle mitkommen“, lassen sie die Frage unbeantwortet. Was sich leicht anhört, scheitert an einer offenen Tür. Bulle Moritz und eine Kuh laufen jetzt im Gartenverein herum. Sie kommen nur wenige Meter. Falk Teschemacher, ein Freund Weichhans, stoppt die Tiere und schickt sie zurück. Der zweite Versuch schlägt trotzdem fehl. Betsy will nicht mit, rennt verstört auf die Wiese zurück. Und blökt. Beim dritten Versuch sieht es kurz so aus, als ob alles glatt geht. Aber Betsy bleibt unberechenbar, rennt durch eine Lücke zwischen zwei Helfern hindurch. Und blökt in der Mitte der Wiese weiter.
Holger Weichhan reicht es jetzt. „Wir treiben die Herde erstmal ins Quartier, Betsy fangen wir später mit dem Lasso und fahren sie mit dem Hänger nach Hause.“ Das klingt einfach, glauben kann es aber keiner nach der Vorstellung, die das Kalb gerade gab. Querfeldein rennen die Büffel, die immerhin ein Gewicht von 500 bis 800 Kilogramm erreichen können. Zwischendurch macht sich Moritz an einer Hecke zu schaffen. Über die Wurzner Straße vorbei am Winneberg führt der Weg, der ohne weitere Zwischenfälle verläuft. Bis von vorn ein grüner PKW auftaucht. Der Fahrer versucht, rückwärts zu flüchten. Falk Teschemacher gibt ihm ein Zeichen, dass ihm und seinem Auto nichts passieren würde. Als die Herde vorbei ist, entfährt ihm ein erleichtertes „Ich lebe noch“, während er die Scheibe sicherheitshalber wieder hochkurbelt.
Den Rest des Weges rennen die kräftigen Tiere geradezu. „Die wissen jetzt so langsam, wo sie sind und freuen sich auf ihr Zuhause“, schätzt Doreen Langer ein. Und wirklich: als sie aus weiter Ferne den Flachbau erblicken, gibt es für sie nur ein Ziel. Die Helfer haben Mühe, mitzukommen und den Elektrozaun schnell zu öffnen. „Geschafft“, hechelt Holger Weichhan zwei Stunden nach Start der Aktion. Ihm und seinen Helfern gelingt es am Sonntag aber nicht mehr, Betsy zu fangen. „Wir versuchen das weiter, irgendwann klappt das schon.“
Erschien am 19.12.2006 in der Delitzsch-Eilenburger Kreiszeitung (Titel und Taucha-Seite)