„Ein Gefühl für die Praxis bekommen“

Taucha. Radiomoderator wollen nur die Wenigsten werden. Trotzdem war das Musikzimmer des Tauchaer Gymnasium gestern Mittag bis auf den letzten Platz besetzt. Denn diese Referentin steht eher selten vor einer Schulklasse: Friederike „Freddy“ Lippold, Morgensirene von Energy Sachsen, sprach beim Traumberufetag über den Beruf des Radiomoderators, der streng genommen gar keiner ist, weil er nicht explizit erlernt werden kann.

So hörten die Gymnasiasten der Klassen 9 bis 12 dann, dass ihr Idol eher über Umwege zum Radio kam. „Ich habe mich für das Journalistik-Studium eingeschrieben, machte mehrere Promotionjobs und kam so auch zu einem Praktikantenjob bei Energy. Dort blieb ich zwei Jahre. Unbezahlt. Was aber egal war, weil es Spaß machte“, erzählte die 29-Jährige. Als dann der Programmchef fragte, ob sie sich vorstellen könne, am Mikro zu stehen, änderte sich einiges. „Ich wurde zur Marke ausgebaut, musste die Belegung der gefühlt tausend Knöpfe am Mischpult beherrschen und stand plötzlich in der Öffentlichkeit. Ich kleines Mädchen aus Bad Düben“, schmunzelte sie. Heute weiß sie, dass sie als Moderatorin eines Jugendsenders nicht ewig ihre Brötchen verdienen kann. „Darum habe ich mich vor drei Jahren entschieden, ein berufsbegleitendes Studium an der Werbeakademie zu absolvieren, bin nun Kommunikationswirt und damit eine diplomierte Tratschtante beim Radio. Das ist ja schonmal was.“

Ganz so leicht, wie es sich während ihrer Sendung anhöre, verdiene sich beim Rundfunk aber kein Geld. „Es ist hart, vor allem als Morgenmoderatorin. Ich frage mich täglich um 4.30 Uhr, warum ich das überhaupt mache. Aber es gibt ja auch die schönen Seiten. Dass man mit Leuten zusammenkommt, die man sonst nie treffen würde“, erzählt sie. Beispielsweise mit ihren Stars: Depeche Mode. „Die waren beim Pressetermin in Berlin so betrunken, dass man sich kaum unterhalten konnte. Trotzdem ließ ich nicht locker, bis ich ein Foto mit mir und Sänger Dave Gahan hatte. Das sieht allerdings so schlimm aus, dass ich damit nicht mal angeben kann“, bedauerte sie.
Bereits zum achten Mal veranstaltete das Gymnasium Taucha den Traumberufetag. „Es ist in erster Linie eine Berufs- und Studienorientierung“, erklärt Christian Krusemark, an der Schule mitverantwortlich für die Berufsberatung. Im Vorfeld gab es eine Bedarfsanalyse, welche Studiengänge und Berufe die Schüler interessieren. Vorgestellt wurden diese von Eltern, ehemaligen Schülern, Vertretern der Wirtschaft und Hochschulen. Grundtenor dabei war, einen Tag im jeweiligen Beruf zu beschreiben. „Wichtig ist uns, dass wir Leute aus der Praxis da haben, die erzählen können, wie es wirklich aussieht. Denn oftmals ist die Praxis doch etwas anders, als Hochglanzbroschüren glauben machen wollen“, so Krusemark. Rund 60 Vorträge und Seminare wurden angeboten. Auch LVZ-Redakteur Olaf Barth sprach vor den Schülern und stellte den Beruf des Journalisten vor.
Neben dem theoretischen und eher passiven Teil gab es auch einen praktischen, in dem Bewerbertrainings für erfolgreiche Vorstellungsgespräche durchgeführt wurden. Auch die Spezifik eines Assessment-Centers wurde erklärt. Ebenso gab es Informationen zum Studieren im Ausland, Zivildienst oder Stipendien in den USA.

Möglich wurde der Orientierungstag durch Sponsoren und das Engagement der Lehrerschaft. Christian Krusemark: „Holger Kießling, unser Fachleiter Naturwissenschaften, hat sogar ein Computerprogramm geschrieben, um alle Vorträge zeitlich exakt planen zu können.“

Erschien in der Leipziger Volkszeitung vom 22. Mai 2008.