Taucha. Im Mai wird die ehemalige Fliegerschule Taucha abgerissen. Der Gebäudekomplex, der seit 1990 zum DRK-Altenheim „Am Veitsberg“ gehört, muss dann einem Erweiterungsbau weichen. Damit verschwindet die einzige Fliegerschule der Region. Grund genug für Wolfgang Rumpelt, Vorsitzender des Leipziger Vereins für Luftfahrt, dem Haus einen letzten Besuch abzustatten. Für Rumpelt vor allem eine emotionale, aber auch historisch wertvolle Angelegenheit.
Schweren Herzens geht Rumpelt über den langen Gang. Die Türen zu den einstigen Wohnräumen der Flugschüler stehen offen. Von der Decke tropft Regenwasser. Fahles Licht dringt durch die dreckigen Fenster und spiegelt sich auf der Pfütze, die sich auf dem Fußboden gebildet hat. Ein Geruchsgemisch aus abgekratzter Tapete und feuchtem Beton liegt in der Luft. „Kein schöner Zustand“, sagt Jens Bruske, Leiter des Altenheims, „man muss aufpassen, wohin man tritt. Kann sein, dass der Boden nachgibt“.
Rumpelt läuft interessiert durch die Räume. „Man muss sich das mal vorstellen, hier schliefen 1945 bis zu zehn Mann in den Zimmern“, sagt er. Seit einigen Jahren erforscht Rumpelt die Geschichte der Fliegerschule und der Mitteldeutschen Motorenwerke (Mimo), die direkt daneben lagen. „Hier in der Schule war die theoretische und in der Mimo die praktische Ausbildung. Viereinhalb Jahre hat so eine Ausbildung gedauert“, weiß Rumpelt. Die Einrichtung war während dieser Zeit nicht nur Lehr-, sondern auch Wohnort der meist jugendlichen Schüler. „Die waren ja oft gerade erst 14 Jahre alt, kamen von überall her und wurden hier wie Soldaten behandelt. Ich schätze, es waren mindestens 200 Mann hier stationiert.“ Bei so vielen Menschen war eine eigene Infrastruktur nötig. „Es gab hier eine Schneiderei, Schusterei, Bibliothek, eine Küche und eine Krankenstation“, zählt Rumpelt auf.
Das Interesse für die Fliegerschule kommt bei dem Leipziger nicht von ungefähr. Seit 1972 steuerte er Segel-, später Motorflugzeuge, arbeitete unter anderem als Schlepp-Pilot. „Ich habe mich schon immer dafür interessiert und wollte die Luftfahrthistorie ergründen. Speziell zur Leipziger Geschichte gibt es ab 1945 nicht viel Material. In der DDR war die Fliegerei auch eher Mist, weil sie ja staatlich kontrolliert wurde“, urteilt er. Darum freut er sich, dass es ab 2010 immerhin eine Ausstellung im Stadtgeschichtlichen Museum zur Luftfahrt in Kriegszeiten geben wird. „Sicher wird dort auch etwas zur Mimo und der Schule zu erfahren sein“, sagt er und hofft auf mehr Stoff für sein geplantes Buch über die Flugschule. „Es gibt recht wenig Material dazu, die Recherche ist sehr schwer. Ich habe darum Kontakt zu alten Veteranen aufgenommen. Einer aus dem norddeutschen Raum wird eine große Rolle in meinem Buch spielen.“ Erste Informationen will Wolfgang Rumpelt im April im Rahmen eines Vortrages über den Flugplatz Schwarzer Berg preisgeben, den er im Tauchaer Rathaus halten will. „Da spielt die Schule auch eine Rolle“.
Am 17. April 1945 zogen die Amerikaner in Taucha ein. Bis einen Tag davor wurde in der Fliegerschule noch unterrichtet. 1947 kam das Aus für die Mimo – sie wurde gesprengt. Reste der Fabrik und Zeugen des Krieges finden sich heute noch in dem Waldstück, das im Volksmund Mimo genannt wird. Von der Fliegerschule wird nichts mehr bleiben – das DRK will neue Gebäude bauen. „Es liegt eine Konzeption vor, über die wir aber noch nichts verraten können. Der Pflegebereich ist im Wandel und wir suchen nach neuen Alleinstellungsmerkmalen“, so Leiter Jens Bruske.
Erschien am 29. März 2008 in der Leipziger Volkszeitung.
*Schnief*… Ich bin zwar kein Pilot aber „das Fliegen“ war doch DER Ausdruck für den Jugendstil seit den 20igern… Nix gegen Altenheime aber ich finde das schon ziemlich symbolisch. 🙁
Hallo,
ich hatte Ihnen bereits über die LVZ-Homepage geschrieben, aber leider bisher keine Antwort erhalten. Wir beschäftigen uns mit den Mitteldeutschen Motorenwerken Leipzig, später dann Taucha und konnten schon einiges zusammen tragen. Würde mich über eine Antwort von Ihnen freuen zumal ich gerne Kontakt mit Herrn Rumpelt hätte.
MfG M. Selzer
PS: Es ist echt schade wieviele Zeitzeugnisse jetzt verschwinden