Taucha. Nachbarschaftsstreitigkeiten, Ärger mit dem Vermieter oder Sachbeschädigung. Die „Lappalien des Alltags“ beschäftigen viel zu oft Gerichte. Um das zu vermeiden, gibt es auch in Taucha einen Friedensrichter. Der versucht, gemeinsam mit den Beteiligten eines Streits, diesen friedlich und ohne Anwalt oder Gerichte beizulegen. In der Parthestadt ist Hans-Joachim Gremm mit dieser Aufgabe betraut. Vergangene Woche stellte er seinen Jahresbericht vor. Demnach suchten den Ehrenamtler im vergangenen Jahr 25 Personen auf. Dreimal musste Gremm in einer Verhandlung schlichten, alle endeten mit einem Vergleich. Viermal besichtigte Gremm die Lage vor Ort, und bei drei so genannten Tür- und Angelfällen half er kurzfristig. Dabei handelt es sich um Fälle, bei denen es nicht zum Antrag auf Verfahrenseinleitung kommt, sondern der Friedensrichter mit einem Hinweis helfen kann – quasi zwischen Tür und Angel.
„Hauptstreitpunkte der Bürger sind nach wie vor der Grenzabstand von Bäumen, Hecken und Sträuchern, Heckenpflanzungen und Zaunsetzungen auf Grenzen, Mietangelegenheiten, Geldforderungen sowie Sachbeschädigungen“, teilte Gremm während der Stadtratssitzung mit. In solchen Fällen konnte der rührige Senior helfen und Streit schlichten. „Das ist das typische Nachbarrecht. Die Leute kommen zu mir in die Sprechstunde und haben ein Problem. In einem Informationsgespräch erkläre ich das weitere Vorgehen. Meist mündet das in einem Schlichtungsantrag und einer Verhandlung, zu der der Antragsgegner auch erscheinen muss“, erklärte Gremm. Wichtig dabei: Der Gegner muss aus Taucha kommen. „Wenn sich ein Tauchaer mit einem Hamburger streitet, bin ich nicht mehr zuständig.“ Kann der Friedensrichter nicht schlichten, müssen sich die Streithähne doch vor Gericht einigen. „Oft geht es dann um geringe Summen“, so der Schiedsmann.
Seine „Kunden“ werden auf Gremm durch Veröffentlichungen des Rathauses oder Artikel in der LVZ aufmerksam. Allerdings hält er auch regelmäßig Vorträge, wie Anfang vergangenen Jahres bei der Volkssolidarität. „Ich habe vor Senioren über das Aufgabengebiet der Schiedsstelle, über die Ausschreibung der Stadt und meine Aufgaben referiert“, teilte der Friedensrichter mit. Etwa 20 Rentnerinnen hätten eifrig diskutiert. „Ich war dort, um ein Hilfeangebot in Streitfällen vorzustellen“, hob Gremm hervor. Der Vortrag hatte Erfolg – immerhin konnte später einer Dame bei ihrer Mietangelegenheit geholfen werden. Damit er auch immer die richtigen Tipps geben kann, nimmt der 70-Jährige regelmäßig an Lehrgängen des Bundes Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen teil.
Als im Oktober vergangenen Jahres das deutsche Schiedsamt 180 Jahre alt wurde, stellte Gremm umfangreiche Recherchen an und erstellte eine kleine Chronik, die in der bundesweiten Schiedsamtszeitung erschien. Sein Amt muss Hans-Joachim Gremm derzeit allein ausführen. „Der plötzliche Tod meines Stellvertreters Wilfried Engelke war eine traurige Sache. Knapp fünf Jahre waren wir nicht nur ein schwergewichtiges, sondern auch ein gut funktionierendes Team“, blickt Gremm zurück. Für dieses Amt soll nun eine neue Ausschreibung erfolgen. Eine erster Kandidat war voriges Jahr vor den Stadträten gescheitert (wir berichteten).
Seine Arbeit führt Gremm trotzdem gern aus. Und es gebe auch genügend Gründe, den Friedensrichter aufzusuchen. Denn „immerhin ist das Schiedsamt keine Modeerscheinung, sondern eine seit fast zwei Jahrhunderten sehr erfolgreich bestehende und ehrenamtlich geführte Institution“, so Gremm. Kurze Wege seien garantiert, Streitigkeiten könnten sehr schnell und oft mit einem Vergleich beigelegt werden, und am Ende entstehe eine Gewinn-Situation für beide Seiten. Hans-Joachim Gremm: „Das ist doch die beste Voraussetzung für einen dauerhaften Frieden.“
Erschien am 19. Februar 2008 in der Leipziger Volkszeitung.