Gentechnik in Sachsen: „Es ist noch nicht zu spät“

Taucha. Die Grundschule Am Park am Donnerstagabend: In der Eingangshalle sitzen rund 200 Gäste. Ganz vorn Louise Schmeiser. Sie strickt, während ihr Mann Percy am Pult seine Rede hält. Man kann es der 76-jährigen Kanadierin nicht verübeln, dass sie sich ablenkt. Das Ehepaar setzt sich seit zehn Jahren in einem nervenaufreibenden Kampf gegen den Konzern Monsanto zur Wehr. Das Unternehmen stellt unter anderem genverändertes Saatgut her. Die beiden berichten auf Einladung des Aktionsbündnis für gentechnikfreie Landwirtschaft in Sachsen über die jahrelangen Rechtsstreits und die Erfahrungen mit genetisch veränderten Pflanzen. Sachsen steht bundesweit mit auf 1027 Hektar angebautem Genmais an zweiter Stelle.

„Kanada begann 1996 gentechnisch veränderte Nutzpflanzen anzubauen. Damals sagte man den Bauern das Gleiche wie heute in Deutschland. Angeblich würden höhere Erträge erzielt, die Produkte würden nahrhafter sein und es müsste weniger Chemie eingesetzt werden“, so Percy Schmeiser. Wahr sei an diesen Behauptungen nichts, wie er später ausführte: Die Erträge gingen runter und eine höhere Nahrhaftigkeit konnte nicht nachgewiesen werden. Am schlimmsten aber sei der Einsatz der Pestizide: „Die Genbauern mussten 15-mal mehr Chemie einsetzen als bei konventioneller Anbaumethode, was Boden und Menschen enorm schädigte. In Folge des Anbaus der Genraps- und Gensojapflanzen hat sich ein neues Super-Unkraut entwickelt, das auf normale Weise nicht zu bekämpfen war. Um dieses Unkraut zu vernichten, wurde ein Herbizid auf den Markt gebracht.“ Mit fatalen Folgen, denn dieses enthielt zu 70 Prozent Agent Orange, ein Entlaubungsmittel, das auch im Vietnamkrieg zum Einsatz kam. „In unserer Provinz Saskatchewan haben wir seit dem Einsatz die meisten Krebsfälle in Kanada. Jede zweite Frau hat Brustkrebs, jeder vierte Mann erkrankt an Prostatakrebs und Kinder im Alter von ein bis fünf Jahren sind auch von Krebs betroffen“, berichtet er.

Die Aussaat von verändertem Mais, Raps und Soja hatte aber auch wirtschaftliche Folgen. 1998 wurde das Ehepaar von Monsanto angeklagt. „Die sagten, wir hätten Patentrechte verletzt, weil wir ohne Lizenz deren Saatgut anbauen würden“, so Schmeiser. Durch Wind oder Bienen wurde das Gensaatgut auf seine Felder gebracht und somit kontaminiert. Ein Gericht entschied, dass Bauern dann nicht mehr Besitzer ihres eigenen Saatgutes sind, wenn es mit anderem gekreuzt wurde. Im Falle der Schmeisers hieß das: Die Zuchtarbeit von 50 Jahren war zerstört. Erst nach zwei weiteren Verhandlungen erklärte das oberste Gericht alle Forderungen seitens Monsanto für nichtig. Ebenso wurde dem Konzern der Besitz von allen Pflanzen zugesprochen, in denen die veränderten Gene nachgewiesen werden können. Ein Urteil mit Folgen, denn nun ist das Unternehmen immer haftbar zu machen, egal wo ihr Gen auftritt. Der eigentliche Grund für den Anbau von Genpflanzen ist laut Schmeiser die Kontrolle über das Saatgut und damit die Preise. Denn wer Lizenznehmer von Monsanto ist, müsse Gebühren pro Hektar Land zahlen, die Chemikalien nur vom Konzern beziehen und auch Einsicht in Buchhaltung und Steuerunterlagen gewähren.

Zwei Stunden redete Percy Schmeiser, dann donnerte Applaus durch die Schule. Gefolgt von einigen Fragen. So wollte ein Tauchaer wissen, wie es um die Verunreinigung des Saatgutes in Deutschland steht. Schmeiser: „Bei Ihnen ist es noch nicht zu spät, sonst wäre ich nicht hier.“ Es liege an jedem selbst, einen Brief an seinen Bundestagsabgeordneten zu schicken. „Die sind dafür da, ihre Wünsche zu erfüllen und Ängste ernst zu nehmen“, so der Kanadier, der voriges jahr mit seiner Frau den Alternativen Nobelpreis „für die mutige Verteidigung der Artenvielfalt“ erhalten hatte.

Auch zahlreiche Kommunalpolitiker verschiedener Parteien verfolgten aufmerksam den Vortrag. Bürgermeister Holger Schirmbeck dankte am Ende den Schmeisers für ihren Besuch und sagte im Anschluss: „Die beiden haben das Bewusstsein für ein hochbrisantes Thema geschärft. Ich bin für gentechnikfreie Zonen, solange die Risiken nicht eindeutig definierbar sind.“

Erschien am 17. Mai 2008 in der Leipziger Volkszeitung.