Geteilte Meinungen

Zeitungsleser mit zu viel Tagesfreizeit und wenig Technik-Verständnis greifen gern zum Telefon, um ihrer Tageszeitung mitzuteilen, was sie an der Zeitung nicht so toll oder besonders prima finden. Die armen Leser glauben offenbar, dass die Zeitung das tatsächlich interessieren würde. Auch die LVZ hat für die vornehmlich ältere Generation ein solches Lesertelefon eingerichtet. Zwischen 11 und 13 Uhr dürfen die Leser hier abladen, was sie bewegt. Grammatikalische Feinheiten kritisieren, Bestürzung über in Artikeln behandelte Themen äußern, sich über wucherndes Unkraut am Straßenrand beschweren. Solche Sachen eben.

Nicht selten ist aber auch Kritik an den Verlagsentscheidungen dabei. Viel seltener hingegen findet diese dann am Folgetag auch ins Blatt. Heute war das anders. „Geteilte Meinungen zum Fernsehprogramm“ ist die heutige Rückblende auf das gestrige Lesertelefon überschrieben. Allerdings ist hier nicht das Angebot der TV-Sender gemeint, sondern die Neugestaltung des abgedruckten TV-Programms auf der Medienseite der LVZ. Scheinbar ist das für viele (vermutlich auch wieder ältere) Leser besonders wichtig – ich persönlich wüsste nicht, wann ich dank EPG und TV-Apps bei sowieso sinkendem TV-Konsum diese Listen jemals wirklich gebraucht hätte. Aber zurück zum Thema: Diverse Leser äußerten also ihren Unmut über die Neugestaltung des Fernsehprogramms. Eine Leserin vermisse die Sportsender, ein anderer Leser meinte, auf die Fotos innerhalb der Programmliste verzichten zu können, anderen fehlten nun plötzlich die Radioprogramme (MDR Figaro, Deutschlandradio Kultur und Deutschlandfunk), ein weiterer Leser meinte auch, das Radio würde fehlen, lobte aber die Übersichtlichkeit. Soweit so unspektakulär.

Danach folgte der Satz „Die Redaktion sammelt in den nächsten Tagen weitere Lesermeinungen zu diesem Thema.“ Das klingt, als ob die Meinung der Leser an einer bereits feststehenden Entscheidung etwas ändern könne. In Wirklichkeit spielt die Lesermeinung hier aber keine Rolle. Seit Anfang des Jahres kommt das TV-Programm zentral aus der Madsack-Redaktion in Hannover. Für die nahe Zukunft ist geplant, die komplette Medienseite der LVZ dort produzieren zu lassen. Derzeit noch vorhandene lokale Einfärbungen, also spezielle Hinweise, Interviews, Vorankündigungen auf das TV-Programm, die bislang von den Redakteuren beigesteuert werden, gibt es dann nicht mehr. Spätestens Ende April, wenn Redakteur N.W. in Altersteilzeit gegangen wird, wird also auch auf der Medienseite die Zentralisierung aka Madsack 2018 eingeschlagen haben. Egal, was die Leser dazu meinen. Aber anrufen dürfen sie sicher gern weiterhin…

Update:
Mittlerweile stellt sich die LVZ-Redaktion gewissermaßen gegen den eigenen Verlag: Der von der Medienseite verschwundene Überblick der drei Radiosender ist nun auf der Kultur-Titelseite zu finden. Was am Lesertelefon bereits positiv bemerkt wurde…

7 Gedanken zu „Geteilte Meinungen

  1. Ich versteh die Aufregung nicht. Die Diskussion über das TV-Programm in der Zeitung ist mindestens so alt wie es das TV-Programm in der Zeitung gibt.

    Da frage ich mich: Meinst Du wirklich, die Lesermeinungen aus Leipzig werden in Hannover nicht berücksichtigt? Oder weniger berücksichtigt als die aus Hannover oder von anderswo? Meinst Du, die Meinungen von anderen Standorten zählen dort mehr oder weniger?

    Oder, anders: Diese Show „Ihre Meinung interessiert uns“ in der Zeitung gibt es ja nun auch schon ewig. Wo ist das Problem, dass man die im Zeitalter von Madsack 2018 auch spielt?

    Und schließlich: Wo ist das Problem, dass das TV-Programm auf der Medienseite in mehreren Orten sehr ähnlich aussieht? Glaubst du wirklich, dass es regional unterschiedliche Bedürfnisse für dieses Angebot gibt? Dass hier die vielbeschworene Vielfalt leidet? Im Ernst?

    Sorry, für mich ist das Unsinn.

  2. Lieber Peter,
    es geht hier ja nicht vorrangig um die TV-Tafeln. Wie die aussehen, ist nur zweitrangig. Ob die Hangover genau so aussieht wie in Leipzig, merkt ja niemand und es ist auch völlig egal. Nein, es geht in der Konsequenz um die Artikel oben drüber. Die LVZ versuchte bislang, hier eine lokale Färbung zuzulassen. Die Medienseite war nicht nur TV-Ankündigung, sondern hat auch andere Medien berücksichtigt. Du kennst sicher das „Medien Kompakt“ oder die Randspalte auf der Medienseite. Diese sind bislang meist mit lokalen Inhalten bestückt, so wie es sich für eine Lokalzeitung gehört. Wenn die Medienseite komplett von irgendeiner Zentralredaktion gemacht wird, die einfach nur die Seite „zumachen“ muss, verliert auch dieser Teil seinen lokalen Charakter. Und die Zeitung wird leider wieder ein Stück egaler. Darum geht es mir.

    Und ja, leider glaube ich, dass Lesermeinungen in dem Fall egal sind. Die Zentralisierung ist eine Konzern-Entscheidung. Und der Konzern pfeift darauf, ob drei Leser aus egal woher wieder das Programm von MDR Figaro abgedruckt haben, die Schrift größer oder keine Fotos haben wollen. Meine Meinung. Wie egal dem ganzen Konzern mittlerweile die Leser sind, zeigt der bisherige Einsparungskurs.

  3. Wenn die Ressourcen knapp sind, werden sich Medienseite und Fernsehprogramm auf den kleinsten gemeinsamen Nenner beziehen. Das bedeutet für das Programm: Es werden nur die Sender berücksichtigt, die im gesamten Madsack-Verbreitungsgebiet empfangen werden können. Und für den Rest der Medienseite: Es gibt keinen Bezug zum Ort bzw. zum Land (Dresden: DNN, Leipzig: LVZ, beide: Sachsen).

    Nun ist wirklich die spannende Frage: Wie stark war der Bezug auf Sachsen, Leipzig, Dresden bisher auf der Medienseite der LVZ bzw. DNN? Sollten wir das mal 14 Tage lang untersuchen?

  4. Kannst Du gern mal tun. Für die LVZ kann ich sagen, dass die lokale Einfärbung sehr stark vorhanden ist. Wenn die wegfällt, ist die letzte richtige Medienseite in Sachsen dahin. Sächsische Zeitung und Freie Presse haben diesen Bereich ja schon länger eingedampft.

  5. Ich will nur kurz zu bedenken geben: Nicht alle Madsack-Zeitungen haben das gleiche Format, d.h. es werden auch nicht alle Madsack-Medienseiten gleich aussehen. Vielmehr wird es einen Themenpool geben, den man sich zusammen puzzeln kann, so auch die Leipzig-Redaktion. Ich glaube auch kaum, dass in der LVZ eine Programm-Tabelle auftauchen wird, in der der MDR fehlt.

    Dass die regionale Einfärbung fehlt, die ich übrigens als nicht so stark empfunden habe wie Daniel (meinst eine Spalte rechts und die eben die kurzen Kompaktmeldungen), wird m.E. nur einzelne Leser stören – genauer: Daniel, mich und eine handvoll anderer Medienleute. Im Ernst: Für die überwiegende Zahl der Programmkritiken und Ankündigungen braucht man keinen Redakteur vor Ort. Okay, vermutlich werden selten Kritiken von MDR-Stücken auftauchen als bisher. Na und?

    Die Veränderung wäre aus meiner Sicht auch so oder so mit dem Abgang des Medienredakteurs gekommen, der ja laut Daniel in die Altersteilzeit geht. Apropos Altersteilzeit: D.h. doch, der Redakteur wird noch begrenzt weitermachen? Oder hast du andere Informationen, Daniel?

    Schließlich: Ich habe ja oben schon zum Ausdruck gebracht, dass ich diese Pauschal-Verurteilung vom „bösen Konzern, dem die Leser egal sind“ nicht wirklich schätze. Deswegen sitzen ja immer noch Journalisten und Redakteure an den Schreibtischen und bemühen sich um Leser. Ja, die ökonomischen Zwänge werden immer enger, zugegeben, und als Redakteur hat es sicher schon mal mehr Spaß gemacht. Aber wenn die Umsätze nun mal so drastisch zurückgehen, muss ein Unternehmen auch reagieren. Was wäre aus Deiner Sicht, Daniel, denn die bessere Alternative?

  6. Um diese Frage zu beantworten, bin ich zu wenig Verlagsleiter. Im Ernst: Ich weiß es auch nicht, hab ich auch nie gesagt. Nur alles kaputt zu sparen, kann nicht der richtige Weg sein. Die Zeitungen verdienen Geld mit Inhalten, nur deswegen werden sie gekauft. Wenn der Inhalt abnimmt bei gleichzeitig steigenden Preisen ist klar, was langfristig passiert. Ich wäre ja für eine wirkliche Fokussierung auf das Lokale. Dazu gehört für mich auch, die Kultur nebst Medienseite ins Lokalbuch zu nehmen. Weltpolitik und Sachsen dagegen kleiner fahren, die Wirtschaft nur noch lokal betrachten und auch ins Lokalbuch. Aber die LVZ will ja gern eine Regionalzeitung sein, also funktioniert das auch wieder nicht.

    Was das Format angeht: Natürlich gibt es da Unterschiede, aber gerade so etwas wie diese Programmtafeln kann man sicher prima skalieren. Und welche Artikel da oben drüber stehen, mag dem normalen Leser auch egal sein, ja. Glaube trotzdem, dass es mehr als eine handvoll Journalisten und sonstige Medienheinze sind, die ein „Medien kompakt“ oder Randspalten vermissen würden.

    Was N.W. ab Ende April genau macht, weiß ich nicht. Ich habe das mit „Vorruhestand“ assoziiert.

  7. “ Ich wäre ja für eine wirkliche Fokussierung auf das Lokale. Dazu gehört für mich auch, die Kultur nebst Medienseite ins Lokalbuch zu nehmen. Weltpolitik und Sachsen dagegen kleiner fahren, die Wirtschaft nur noch lokal betrachten und auch ins Lokalbuch. Aber die LVZ will ja gern eine Regionalzeitung sein, also funktioniert das auch wieder nicht.“

    volle zustimmung.

    irgendwann im letzten jahr hab ich meine letzte lvz gekauft. sommer vermutlich wo ich viel zeit hatte. das was mich wirklich interessiert hat, war ausschließlich der lokalteil. das was im ersten teil steht kann ich überall in diversen tickern und newsportalen lesen oder (für die älteren) in mdr-aktuell, tagesschau oder dem sachsenspiegel sehen. wozu noch die news von gestern in der gedruckten tageszeitung morgen lesen? beim lokal ist es anders. die lokalmeldung gibt es eben nur in der lvz (oder in lokalen stadtteilblättern, die aber nur begrenzt erscheinen). mir (und auch meinen eltern und großeltern) wäre eine 10-seitige lokal-lvz 100x lieber als eine aufgeblähte lvz. übrigens gern auch mit lokal eingefäbter medienseite lokale werbekunden dürfte es doch da in zeiten der ma-erhebung im radio genug geben 🙂

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