Fragt man Olaf Wolters, Geschäftsführer des Bundesverbandes Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU), und Oliver P. Kuhrt, Geschäftsführer der Koelnmesse, nach dem Konzept und Inhalt der neuen Spielemesse, erntet man nur leere Phrasen. Um dann ernüchtert festzustellen, dass das Konzept der GAMESCom, so der wenig kreative Name der neuen Messe, einzig und allein darauf zu fußen scheint, dass die Veranstaltung künftig in Köln stattfindet. Das mag polemisch klingen, doch große Veränderungen gegenüber der Games Convention sind in Köln nicht zu erwarten.
Zwar wolle man sich stärker nach Südeuropa öffnen – dazu soll mehr Fachpublikum angesprochen werden. Trotzdem soll es auch Angebote für Familien und natürlich den üblichen Publikumsbereich mit Spielstationen und den bekannten Ständen geben. Zur weiteren Konzeption schwiegen heute beide Parteien. Auch die Vertragslaufzeit sei geheim und gehe niemanden etwas an. Einzig, dass der BIU konzeptionell am Tisch sitze, war Kuhrt zu entlocken. Also wie in Leipzig.
Eine ausgeschriebene Langfassung für den Namen GAMESCom gebe es auch nicht. Auf eine entsprechende Frage reagierte Kölnmesse-Geschäftsführer Oliver P. Kuhrt ausweichend. Man habe die Marke bereits 2004 registriert und sich intensiv seit Jahren mit der Branche beschäftigt. Heißt wahrscheinlich: Gemeinsam mit dem BIU überlegt, wie man die Messe aus dem Osten in den Westen verlagern kann. Weiterentwickeln nennt das der BIU. Branchenriese Electronic Arts, meine Damen und Herren, habe mit der Verlagerung der Messe natürlich überhaupt nichts zu tun. Auch sei kein Geld geflossen. Hatte nur ich das Gefühl, oder wurde es Wolters bei dieser Frage plötzlich etwas heiß? Zumindest färbte sich sein Kopf.
Als europäische Leitmesse wolle der BIU die GAMESCom ausrichten. Auf die Frage einiger Journalisten, ob nicht die GC bereits diesen Anspruch hatte, antwortete Wolters: „Wir haben die GC 2002 als regionale Messe aufgebaut. Dass die Leipziger Messe neuerdings von einer europäischen Messe sprach, haben wir immer kritisch gesehen.“
Innerhalb der zwölf Mitgliedsunternehmen des BIU herrsche Einigkeit darüber, dass ein Wechsel des Standortes unvermeidlich war. Nicht alle sprachen sich für Köln aus, aber die Mehrheit, so Wolters.
Den endgültigen Schlag in die Magengrube bekam Leipzig von Kölnmesse-Chef Kuhrt. „Wir haben heute den Oscar verliehen bekommen“, sagte er in Bezug auf die Verleihung der Academy Awards. Worauf es sich Andreas Dunte, Wirtschaftsredakteur der LVZ, nicht nehmen ließ zu sagen: „Aha, dann hat Leipzig wohl heute die Goldene Himbeere bekommen?“
In diesem Jahr findet die GC – Games Convention vom 21. bis 24. August statt. Was darüberhinaus passiert, wird die Zeit zeigen. Am Rande der Pressekonferenz heute in Leipzig hörte man, es werde natürlich überlegt, wie ein neues Konzept aussehen könnte.
Je länger ich mich i.d.Z. mit Entscheidungsträgern und „Strippenziehern“ in Leipzig befasse, umso klarer wird mir, dass seitens der Verantwortlichen ganz schön dilletantisch gearbeitet wurde. Seit mindestens drei Jahren führen einige Spielehersteller und der BIU mit anderen Messen „Sondierungsgespräche“ – alles wohl hinter dem Rücken der Leipziger Messe. Da frage ich mich doch, ob die Messeleitung noch berechtigt im Amt ist. Ein derartiges Unternehmen zu führen erfordert – neben Managerqualitäten – Lobbyarbeit, Netzwerke, Kommunikation und vor Allem Berufserfahrung und gute Freunde im Messegeschäft. Und letzlich auch die Haltung: Think big. Auf diesem Gebiet haben wohl alle Beteiligten versagt, bis hin zur Stadtverwaltung, die doch immer betont hat, wie wichtig die GC für eine Stadt wie Leipzig ist.
Als guter Messechef – so behaupte ich jetzt mal – muß man doch ständig top-informiert sein. Funktionieren meine Netzwerke, erfahre ich auch rechtzeitig, wer mit wem worüber redet und ob Veränderungen oder gar Intrigen im Busch sind. Wenn dann – neben den Netzwerken – noch Seilschaften vorhanden sind (wohlgemerkt bis in die höchsten Ebenen der Politik), kann eventuell im Vorfeld eine derartige Pleite verhindert werden … Beispiele dafür sind beinahe alltäglich zu beobachten. Doch Netzwerke und Lobby bekommt man nur, wenn man lang genug im Geschäft ist – und da stellt sich mir die Frage, ob der Herr Marzin nicht zu (J)jung für so einen wichtigen Posten ist …
… aber – ich schweife ab.
Was hinter den Kullissen dazu geführt hat, dass die GC für Leipzig verloren ist, werden wir wohl nie erfahren. Die angebrachten Argumente erscheinen mir allerdings fadenscheinig. Die Hotelkapazitäten können es nicht sein, denn nimmt man das komplette Einzugsgebiet dazu (und auch Berlin, von wo man locker in 60 Minuten mit dem ICE in Leipzig ist), dann ist die Bettenzahl nahezu gleich hoch wie in Köln. Gäste aus Asien fliegen auch 2009 über die zwei Knotenpunkte München und Frankfurt ein , um dann mit Anschlußmaschinen weiter zu fliegen – ob nach Leipzig oder Köln, egal – beide Städte sind in 55 Minuten zu erreichen. (Und wenn der neue Großflughafen Berlin-Brandenburg fertig ist, rückt Leipzig den Regionen in Übersee noch ein Stückchen näher).
Schade nur für Leipzig, denn mit der GC verlieren wir ein wichtiges pop-kulturelles Highlight, das ordentlich Leben in die Stadt und Geld in die Kassen gebracht hat. Beides kann Leipzig gut gebrauchen … Die GC wäre auf lange Sicht ein Garant dafür gewesen, vor Allem wenn man betrachtet, wie sich die Branche entwickelt. Heutige Gamer werden sich auch als Rentner noch für Spiele und Konsolen interessieren. Hätte man die GC als wichtigen Baustein für die Zukunft begriffen, hätte man sich wahrscheinlich auch mehr für ihren Erhalt eingesetzt – mit allen Mitteln.
Offenbar gibt es weder in der Messeführung noch in der Stadtverwaltung professionelle Strippenzieher, die in anderen Regionen maßgeblich an erfolgreichen Entwicklungen beteiigt sind. Leider kein Ruhmesblatt …
Und – bitte Herr Marzin – wenn Sie jetzt behaupten, die Messe erfinde schon wieder etwas und schließlich habe man ja auch noch andere erfolgreiche Messen, muß ich doch ein bisschen schmunzeln … Die AMI? … was ist die gegen IAA und Genf ? … Die Buchmesse? … fördert doch eher das intellektuelle, kulturelle Image der Stadt – ein wirtschaftlicher Erfolg ist sie nicht … und die wirklich erfolgreichen Messen – wie terratec – sind allesamt Fachmessen … Große Besucherströme sind da doch eher selten. Und an die großartige neue Erfindung glaube ich auch nicht. Was könnte denn zukunftsträchtiger sein als eine Messe, die sich mit Spielen und Computern beschäftigt?!
Also bitte keine Augenwischerei. Der Verlust der GC für Leipzig ist dramatisch und wird in der Zukunft noch wirtschaftliche Folgen haben. Let´s face it: Gute Standortpolitik geht anders …