Schweinchenrosa. Es gibt schönere Farben für Zettelchen mit Nummern drauf. Auf meinem stand eine graue 717, was ihn auch nicht attraktiver machte. Zwei Blondinen in weißen Hosenanzügen und einem Zahnpastalächeln übergaben mir den Schnipsel. „Damit können sie sich da drüben ein Getränk abholen“, lächelten sie wissend und warfen den Fünf-Euro-Schein, der mir Einlass verschaffte, in eine Geldkassette.
Dieses „da drüben“ bestand aus zwei Tischen, hinter denen ein einzelner Mann verzweifelt versuchte, eine lange Schlange wartender Rosaschnipselinhaber in erträglicher Geschwindigkeit abzufertigen. Was gehörig misslang. Dafür konnte der Getränkemann nichts. Die Art und Weise, wie er die Prosecco-Flaschen öffnete, ließ darauf schließen, dass dies nicht gerade seine bevorzugte Tätigkeit ist. Dafür konnte er einschenken. In aller Ruhe, versteht sich. Prosecco pur oder geschwängert mit gelbem Limetten- oder rotem Erdbeer-Aperitif standen für mich schon sieben Minuten später zur Auswahl. „Limette bitte. Sieht nicht ganz so peinlich aus“, hätte ich dem Nicht-Barkeeper am liebsten in sein fragendes Gesicht geantwortet. Stattdessen zeigte ich auf den gelben Sirup und nickte kurz. Er hatte verstanden.
Stolz wie ein Erstklässler mit Zuckertüte führte ich mein hellgelbes Getränk spazieren und atmete Businessluft. So läuft das also ab auf einem XING-Event. Treffen der „Leipziger Köpfe“, nannte sich die Veranstaltung. Ich ließ meine Blicke schweifen. Beanzugte Herren und kostümierte Frauen standen beisammen und prosteten sich mit ihren klebrigen Aperitif-Gläsern zu.
„Hinten rechts bekommen sie dann ihr Namensschildchen“, hatten mir die Einlassblondinen vorhin noch hinterher gerufen. Hinten rechts stand ein Mann mit einer Art Tablet-Computer, der, als er mich sah, sofort nach meinem Namen fragte. „Große“, antwortete ich, worauf er „Krause?“ frug und sogleich ein K in seinen Rechner tippte. „Nein, Große, wie groß mit e“, erwiderte ich und fügte sicherheitshalber noch „mit s-z“ hinzu. Der Computermann tippte brav, um sogleich „Hab ich hier nicht. Haben sie sich nicht angemeldet?“, zu fragen. Hatte ich natürlich nicht. Womit mich der Tabletspezi zu seiner Kollegin verwies. „Sie kann sie manuell nachtragen“, zeigte er. „Wie groß mit e“, erklärte ich der Dame, die bereits dabei war, mich zu Herrn Kruse zu machen. „Firma?“, frug sie. „Freier Journalist“, antworte ich. „Das ist doch aber keine Firma!“, meinte sie. „Nun, ich bin freier Journalist, entsprechend kann ich ihnen keine Firma nennen“, gab ich ihr zu verstehen. „Dann lass ich das lieber frei“, entschied sie sicherheitshalber und fügte mich in die Kategorie Medien ein. Wenige Sekunden später war ich stolzer Besitzer eines Klebeschildchens mit meinem Namen und einem Kamera-Piktogramm darauf, dass die Zugehörigkeit zur Medienmeute symbolisieren sollte.
Doch nicht nur ich wusste nun, dass ich offiziell anwesend war, sondern auch der gesamte Saal. Per Beamer wurde mein Name und der von weiteren Teilnehmern an die Wand geworfen. Ich war eingeordnet in die Spalte „gerade eingetroffen“. Neben meinem Namen erschien ein schwarzer Kopf. Rechts daneben waren Menschen abgebildet, die sich bereits länger im Saal befanden. Nahezu alle hatten ein Profilbild und trugen eine Firmenbezeichnung. Das nenn ich mal transparent. Gefragt, ob ich es für gut heiße, meinen Namen per Beamer jedem mitzuteilen, wurde ich nicht. Dagegen wirkt der fehlende Datenschutz bei Facebook fast schon niedlich. Insofern eine gute Entscheidung, mich nicht vorher angemeldet zu haben.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie der Tabletmann sein Spielzeug beiseite legte und sich ein Mikrofon griff. „So, dann fangen wir mal an“, bestimmte er und stellte sich als Markus Hartlieb vor. Er sei Ambassador (ein Wort, das ich erstmal googlen musste) für XING und wolle einen kleinen Einblick in die Suchfunktion geben. Dann demonstrierte er eindrucksvoll die Schwächen des Kontaktenetzwerkes. Zumindest wollte er das. „Wenn man beispielsweise nach ‚Arzt‘ sucht, dann werden nicht etwa Ärzte aufgelistet, sondern alle Leute, die ‚Arzt‘ heißen“, sagte er und präsentierte eine Suchergebnisliste mit kaum jemandem, der ‚Arzt‘ heißt, sondern fast ausschließlich nur Arzt von Beruf ist. „Oh“, meinte der Ambassador. „Dann hat das XING wohl kurzfristig geändert“, gab er zu, nicht vorbereitet zu sein. Dennoch ließ er es sich nicht nehmen, tatsächliche Programmierfehler der Suche zu zeigen. „Wer einen Arzt sucht, findet tatsächlich nur Männer. Frauen findet man nur, indem man auch nach ‚Ärztin‘ sucht.“ Wer hätte das gedacht. Frauen sollten daher auch immer die männliche Gattungsbezeichnung ihres Berufes in ihrem Profil verewigen, wenn sie über die XING-Suche gefunden werden wollen. Natürlich, wenn die Suchfunktion der Plattform Männlein und Weiblein nicht von allein addieren kann, muss eben der Nutzer nachhelfen.
Anschließend gab der Botschafter des grün-gelben X Nachhilfe in Sachen Suchverknüpfung und Ausschlussverfahren. OR, AND, Wildcards und Minuszeichen. Alles schon gehört. Damals, 1997, als Google noch bei der Stanford University gehostet wurde. „Ein mächtiges Werkzeug“ sei die XING-Suche, wenn man sie einzusetzen wisse, meinte Mister X, offenbar auch ein wenig zu sich selbst. Warum anschließend Beifall geklatscht wurde, erschloss sich mir nicht.
Man dürfe sich nun frei bewegen und unterhalten, hatte der Ambassador den Anwesenden auf den Weg gegeben. An einer Wand würden Visitenkarten hängen, damit man sehen könne, wer so da ist. Als ob die überdimensionierte Präsentation der XING-Profile via Beamer nicht ausreichen würde.
Ich stellte mein Klebe-Glas auf einen der runden Bistro-Tische und schlenderte durch den Saal. Grüppchen zu je drei, vier Leuten standen um die weiß bespannten Stehmöbel und unterhielten sich. Sicher die gleichen Leute, die sich ohnehin von der Arbeit kennen oder auf solchen Anlässen prinzipiell immer zusammenstehen. Einige der Herren hatten sich für den großen Abend sogar eine Krawatte gebunden, oder hatten sie einfach nach dem Büroalltag nicht abgenommen. „Passiert hier noch etwas?“, frug ich etwas niedergeschlagen eine Bekannte. „Glaub nicht, bin auch zum ersten Mal hier. Auch nur zum Quatschen“, antwortete sie.
„Grrrrr.“ Mein Magen forderte seine abendliche Ration. Ich ging in Richtung der Menschen, die noch kauend ihre Münder mit der Serviette abwischten. „Snack-Angebot“ war auf einem kleinen Schildchen zu lesen, das auf einem Tisch stand. Dahinter zwei lächelnde, beschürzte Damen. Das Snack-Angebot bestand aus Debrecziner Würstchen. Die eigentlich nur Wiener waren und von einem blassen Brötchen begleitet wurde. Die Schlipsträger und Kostümfrauen um mich herum aßen die Gourmetnahrung für zweifünfzig mit Messer und Gabel. Das irritierte mich so sehr, dass ich mir auch Werkzeug holte. Die Wiener schmeckten wie das Event an sich: Fad und müde. Das Brötchen ließ ich unangetastet.
Ein letztes Mal ging ich durch den Saal, der eigentlich ein großer Konferenzraum war. Meine Bekanntschaft stand noch immer mit den gleichen Leuten wie vorhin zusammen. „Ich gehe jetzt, hier ist nichts los“, rief ich ihr zu.
Insgesamt wusste das Treffen der „Leipziger Köpfe“ nicht so recht, was es sein sollte – ein Businessevent mit Anspruch oder doch nur eine mittelklassige Visitenkartenparty. Aber wenigstens die Einlassblondinen waren nett. „Schönen Abend“, wünschten sie mir beim Gehen. Ja, den hätte ich gehabt. Zu Hause.
Autsch!
.. abgesehen davon aber: „Gefragt, ob ich es für gut heiße, meinen Namen per Beamer jedem mitzuteilen, wurde ich nicht. Dagegen wirkt der fehlende Datenschutz bei Facebook fast schon niedlich. Insofern eine gute Entscheidung, mich nicht vorher angemeldet zu haben.“ – nun, das Köpfe-Treffen ist eine Networking-Veranstaltung. Wenn Du da anonym unterwegs wärst würdest Du den Sinn des Ganzen verfehlen. Es ist ein Zeigen und Gezeigt werden, insofern ist der Beamer eigentlich keine blöde Idee. Und der Vergleich mit Facebook hinkt – bei den Köpfen waren 100? Leute, bei Facebook haben 500 Millionen Menschen dich im Blick – im Zweifelsfall ohne, dass Du es willst. So einem Treffen wie den Leipziger Köpfen gehe ich ja, gerade weil mich jeder sehen soll.
Trotzdem insgesamt Autsch. Würde an Stelle der Oberköpfe nochmal nachdenken und zur Anregung nutzen.
Hm, nach der ausführlichen Schilderung deines Erleben bei diesem Meeting bin ich verunsichert, ob der Besuch eines solchen Treffens wirklich fruchtbar erscheint. Da ja massenweise Einladungen zu solchen Dingen über Xing verbreitet werden – allerdings nicht über die Suchfunktion 😀
@Thomas: Natürlich war der Facebook-Vergleich überzogen. Und natürlich will man gesehen werden, wenn man da hin geht. Aber dass Name und Berufsbezeichnung inklusive Profilfoto an die Wand geworfen werden, war mir neu – ich war noch nie zu solch einem Treffen. Ein entsprechender Hinweis wäre zumindest angebracht gewesen.
Danke Daniel Große für den Bericht von gestern, den ich nur bestätigen kann. Ich ( habe) hatte kein Kostüm an, trage keine Berufsbezeichnung,besitze keine Visitenkarte, bin nur ICH, traf zum Glück einen Bekannten aus früherer gemeinsamer und ehrenamtlicher Arbeit zum Quatschen, so dass sich die peinlichen Minuten in Grenzen hielten; den Erläuterungen von Ambassador Markus H. musste ich nicht lauschen. Da ich in der Nähe wohne, war auch der Laufweg dahin kein großer Verlust – alles in allem, war ich froh wieder daheim zu sein,bald und hungrig auch ;-).
Ansonsten nicht viel Neues…. bei XING.
Es kommt immer darauf an, mit welchen Erwartungen du dort hingehst.
Mittlerweile habe ich sehr viele nette Menschen dort kennengelernt,und es ist wichtig, egal aus welcher Berufsgruppe man stammt, auf solchen Events mit seinem Unternehmen präsent zu sein. Diese Veranstaltungen laufen unter dem Motto „Persönliches zählt, Geschäftliches ergibt sich“ Und unter diesem Motto war die Veranstaltung gelungen. Bis auf die Musik, habe ich nix auszusetzen. Und zwei weitere Interessenten für mein Unternehmen habe ich auch gefunden. Und darum geht es doch im Networking und auf solchen Veranstaltungen. Kontakte knüpfen im wahren Leben, außerhalb der zahlreichen Plattformen.
Ist das nicht auch für einen Journalisten wichtig?
Natürlich ist Vernetzung auch für einen Journalisten wichtig und nötig. Nur sprach mich eben die Art und Weise der Veranstaltung überhaupt nicht an. Dieses sich gegenseitig Anbiedern, wie es auch bei XING selbst gemacht wird, ist es, was mich stört. „Oh, sind sie nicht auch in der Branche XY? Ich glaube, ich habe das passende Angebot für Sie!“ – Genau diese Art Mails bei XING mag ich nicht. Und nichts anderes war (in meinen Augen) dieses Event – nur eben ins real Life übertragen. Wie gesagt, mag sein, dass das für manche ansprechend ist. Für mich eben nicht.
Ich fange mal mit dem Positiven an: Gestern traf ich einige Leute, die ich schon von anderen Netzwerktreffen kenne, eine Bekannte, die ich schon ewig nicht mehr gesehen habe, eine Dame, die ich von Xing kenne, aber aus Zeitgründen noch nie persönlich getroffen habe, und jemanden, von dem ich gar nicht wusste, dass er da ist, aber sich als sehr positiver Kontakt erweisen könnte und bestimmt auch wird. So gesehen war der Abend für mich also schon erfolgreich.
Allerdings muss ich auch sagen, dass ich es ebenfalls ein bisschen lahm fand und da schon besseres erlebt habe (z.B. das Treffen im Da Capo). Den Xing-Vortrag hätte man sich sparen können, glaube ich. Schließlich sind die Leute ja alle so versiert darin, dass sie zur Veranstaltung gefunden haben.
Außerdem fand ich es sehr irritierend, dass ein Feinkosthändler als Partner auftrat, man dann aber farbstoffgeschwängerte Begrüßungsgetränke und Würstchen vorgesetzt bekam. Irgendwie war das in Sachen PR-Arbeit ein Schuss in den Ofen für denjenigen und „rundete“ den Abend gewissermaßen auch ab vom ganzen Ambiente her.
Was das Catering angeht: Mich hat sowieso gewundert, dass der Feinkostler dort ausschenken durfte. Der Mediencampus hat ein eigenes Catering, das prinzipiell recht gut ist. Angesichts dieser Tatsache waren auch die falschen Würste eine Frechheit. Wobei es natürlich nicht ausdrücklich ums leibliche Wohl ging…
Nein, so war das auch von meiner Seite nicht gemeint. Ich fand’s nur eben merkwürdig, weil der ja so ausdrücklich als Partner genannt wurde.
Also ist es nicht nur mein Eindruck, dass bei solchen Veranstaltungen viele vergessen, den Kleiderbügel aus dem Jacket zu nehmen.
Am Ende fehlt auch einfach die Initialzündung für neue Gespräche .. denn die Eintrittsbarrieren bei kleinen umherstehenden Grüppchen, die bereits miteinander reden finde ich immer relativ hoch. Vielleicht ne Art Speed-Networking 🙂
Es ist schon eine große Leistung, solch ein Event zu organisieren und ich bin immer wieder überrascht, wie viele Menschen die Köpfe-Treffen anziehen. Diesmal war ich allerdings besonders gespannt, da zum ersten Mal ein Vortrag angekündigt wurde. Dass dieser sich aber aufgrund des schlaubergernden Referenten nicht zum Highlight des Abends entwickelte, fand ich sehr schade.
Außerdem: Zu einem Event gehört mehr als ein Gratis-Getränk und die Hoffnung, die Leute würden sich schon irgendwie miteinander unterhalten. Gerade die Organisatoren sollten ihrer Gastgeberrolle gerecht werden und diese Aufgabe nicht einer Beamer- und Visitenkartenwand überlassen. Warum fünf Euro Eintritt gefordert wurden, konnte ich ebensowenig nachvollziehen. Für das vergangene Treffen im Panometer habe ich den Eintritt gern gezahlt, da die Location einfach aufregend war – hier stand ich im Foyer eines Zweckbaus und konnte mir Displaywände der Partnerunternehmen anschauen. Wenig spektakulär. Ich hoffe daher auf eine inhaltliche, organisatorische und stilistische Optimierung der Folgeveranstaltungen.
freier Jornalist…
keine Firma… bei solch öden Texten auch echt kein Wunder!
Da das hier alles nicht wirklich hochliterarisch ist, der Verfasser aber denkt, den Spätromantiker raushängen lassen zu müssen und mich dein langweiliger post nur deshalb interessierte, weil er mir von einem Kollegen empfohlen wurde… nur kurz diese kleine Anmerkung:
Man fragte mich: „Heißt’s fragte oder frug?“
Ich sagte drauf: „Ich wähle immer fragte,
da man ja auch statt sagte nicht spräch sug,
was schlecht dem Ohr und Sprachgebrauch behagte.“
das ist ja fürchterlich…
Hallo liebe Blogger,
ich habe von diesem Treffen in der Zeitung gelesen. Meistens erfährt man ja hinterher nicht, wie gut eine Veranstaltung war. Nun habe ich diesen Blog gefunden und mußte über den ausführlichen Bericht schmunzeln. Alles in allem bekomme ich den Eindruck, daß ich nichts „verpasst“ habe.
Da ich noch recht neu in der Heimatstadt meines Verlobten bin, hätte ich mich natürlich gefreut, nette Leute kennenzulernen. Aber das wäre dort wohl schiefgegangen.
Leipzig finde ich übrigens prima!
Es grüßt Mandy Wengler
Moment, ich habe eindeutig nichts von den Leuten dort geschrieben. Ich stelle gar nicht in Abrede, dass man dort nette Leute kennenlernen konnte. Immerhin hab ich auch zwei, drei getroffen, die ich kenne und für nett halte. Mir gings einzig und allein um die Einfallslosigkeit, mit der die Veranstaltung durchgeführt wurde.
Hier ist ja schon einiges an Diskussion am Gange. Danke für den Bericht. Sehr amüsant zu lesen. Musste oftmals schmunseln. Hatte mir auch schon mal überlegt da hinzugehen, da die Gruppe ja auch auf Xing ziemlich präsent ist. Muss man sich wahrscheinlich selber mal ein Bild machen und dann entscheiden, ob es was für einen ist oder nicht.
Vor einiger Zeit bin ich einmal dabei gewesen, werde es jedoch voraussichtlich nie wiederholen. Die Veranstaltung ist einfach zu „allgemein“, ohne Thema, so dass man schon Glück haben muss, mal Anknüpfungspunkte mit Anwesenden zu finden.