Jubeln verboten? Weil die AGOF ihre Erhebungen angepasst hat, dürfen ihr angeschlossene Website-Betreiber ihre Zugriffszahlen zwar nennen, aber nicht vergleichen. Das Portal spieletipps.de fühlte sich daraufhin zu einer witzigen Pressemitteilung veranlasst.
Die Arbeitsgemeinschaft Online Forschung (AGOF) erfasst die Reichweiten von Websites und will nach eigener Definition das Internet zum transparenten und planbaren Werbeträger machen. Damit das in Zukunft besser gelingt, wurden für die neuerliche „Markt-Media-Studie“ internet facts 2010-I Anpassungen vorgenommen.
Bislang ging man davon aus, dass ein Nutzer das Internet über verschiedene Wege besucht und sich dafür an mehr als einen Ort begibt oder an einem Ort zwei Rechner nutzt. Das machte aus dem Nutzer einen MultiClient-Nutzer, weil er mindestens zwei Zugangswege zum Internet fand. Neu ist nun, dass davon ausgegangen wird, dass Nutzer das Internet „von mehr als einem Ort aus nutzt und beziehungsweise oder mit mehr als einem Browser pro Rechner online geht“. Bis zu vier Clients sind es nun, die pro Nutzer zugrunde gelegt werden. Was zur Folge hat, dass die Anzahl der MultiClient-Nutzer von bislang 37 Prozent auf nun etwa 75 Prozent stieg.
Außerdem wurde (analog etwa zur Radio-MA) die neue Grundgesamtheit zugrunde gelegt. Neben der bislang deutschen Wohnbevölkerung ab 14 Jahren werden auch bei der AGOF EU-Ausländer und andere deutschsprachige Ausländer in der Grundgesamtheit erfasst und abgebildet.
Aufgrund dieser Änderungen dürfen die neuen Ergebnisse allerdings nicht mit bisherigen verglichen werden – einfach, weil sie nicht vergleichbar sind. Jubeln über Zuwächse ist den Anbietern, trotz wirklicher Zuwächse, also verboten. Weil diese Rechnerei und theoretischen Annahmen niemandem zu vermitteln sind, fühlte sich das Portal spieletipps zu einer witzigen Pressemitteilung berufen, die ich hier ungekürzt veröffentliche.
Usingen, den 25.Juni 2010: Jetzt haben wir den Salat: Weil die AGOF in ihren neuen internet facts eine, Achtung, „Anpassung der MultiClient-Definition und weitere Studienneuerungen“ vorgenommen hat, seien die Zahlen nicht mehr mit früheren Studien vergleichbar. Übersetzung: Die AGOF hat ihre Erhebungsmethoden verbessert, und wer dank der MultiClient-Dingsbummens nun (viel) mehr Nutzer hat als vorher, der darf das niemandem erzählen.
„Ist mir zu hoch“, gesteht Chefredakteur Jochen Gebauer der bedrückten Runde. „Und ich hab‘ mal eine wissenschaftliche Abhandlung über die Symbolik der Farbe Weiß in Moby Dick verfasst. Und überhaupt: Sind die neuen Zahlen denn schlecht?“
„Im Gegenteil!“, so Geschäftsführer Matthias Groß, während seine Mundwinkel verräterisch nach oben wandern, „wir haben im Vergleich zum…“ „STOOOOOP!“ Mit einem katzenartigen Panther Hechtsprung reißt Projektleiter Oliver Hartmann seinen Chef zu Boden, um eine Katastrophe zu verhindern. „Wir dürfen doch nicht mehr mit früheren Ergebnissen vergleichen! Das ist STRENG VERBOTEN, sagt die AGOF!“
„Stimmt ja“, rappelt sich Groß wieder hoch, „ich musste denen ja sogar per Fax bestätigen, dass wir niemals über unsere fantasti… Was ist denn jetzt schon wieder?“
„Jubel-Meldungen sind auch verboten!“ mahnt Textchef Martin Deppe und wedelt mit der sorgfältig ausgedruckten Hinweis Mail. „Das hat die AGOF explizit so geschrieben, guck!“
„Wenn ich immer gucken würde, was ich unterschreibe, wärt ihr alle nicht hier. Schließlich seid ihr viel teurer als… ach, Mist, das darf ich ja nicht. Was darf ich denn überhaupt? Irgendetwas müssen wir den Leuten da draußen doch sagen. Das ist hier schließlich eine PM, verflixt.“
„Du darfst sagen, dass wir 2,18 Millionen Unique User haben“, erklärt Chefredakteur Gebauer geduldig. „Aber freuen darfst du dich darüber nicht. Und stell‘ um Gottes willen keine Vergleiche an, sonst schicken die uns noch ohne Essen ins Bett.“
„Aber irgendwas müssen wir doch vergleichen“, blickt Matthias Groß in die Männerrunde.
Männerrunde.
Vergleichen.
„Untersteh Dich! DIE dürfen wir auch nicht vergleichen, seit die Pornoindustrie ihre Filme auf 16:9 umgestellt hat. Da kannst du nicht einfach mit deiner 4:3-Länge ankommen und rumjubeln – echt nicht!“
So viel Selbstwitz wünsche ich mir für die nächste Radio-MA. Daraus wird wohl nur leider nix werden – stattdessen gibt’s sicher am 13. Juli wieder schreiende Jubelmeldungen und Schönrechnereien. Die am Ende auch bloß niemand versteht.