„Natürlich wissen wir, dass wir Streetview nicht verhindern können“

„Leipzig will Google zensieren“, phantasierte heute die Zeitung mit den großen Buchstaben und zitierte zwei Anträge der FDP und Grünen (PDF) im Leipziger Stadtrat bezüglich Google Streetview. Die Fraktionen fordern darin mehr Aufklärung für die Bürger. Außerdem soll Google die Veröffentlichung bestimmter Gebäude verboten werden. Ob die Anträge Erfolg haben, ist bislang fraglich.

Man kann regelrecht die Uhr danach stellen. Immer, wenn Google ankündigt, demnächst in einer Stadt seine Streetview-Fahrzeuge fahren lassen zu wollen, setzt bei Politikern, Bürgermeistern und Stadträten der Beißreflex ein. Da ist von Daten- und Persönlichkeitsschutz die Rede und davon, dass eine Stadt den Bürgern zur Seite stehen müsse. Von „flächendeckender Erfassung von Häusern und Objekten“ ist da die Rede. Logisch, anders macht ein Kartendienst wie Google Streetview auch keinen Sinn. Und so manche Kommune möchte mit Hilfe des Unternehmens offenbar seine Stadtkasse aufbessern.

Auch in Leipzig fährt, so hört man, seit wenigen Tagen der Opel Astra mit den eigenwilligen Kameras auf dem Dach. Unabhängig voneinander reichten darum die Fraktionen der Grünen und der FDP im Leipziger Stadtrat Anträge ein, in denen gefordert wird, sich in einer der nächsten Stadtratssitzungen mit Streetview zu beschäftigen. Google das Fotografieren „ganzer Straßenzüge“, wie es immer so schön heißt, zu untersagen, sei aber nicht das Ziel.

„Natürlich können und werden wir Google Streetview nicht verbieten“, sagte mir heute Oliver Groß Geschäftsführer der FDP-Fraktion. Allerdings wolle man prüfen, inwieweit die Stadt Leipzig ihre Bürger aufklären könne. „Dass Streetview ein innovativer Dienst ist, steht außer Frage. Allerdings müssen die Persönlichkeitsrechte der Bürger gewahrt werden. Darum geht mir Datenschutz und Persönlichkeitsrecht vor Innovation“, erklärt er. Darum solle in den Stadtrat eingebracht werden, dass die Leipziger umfassend informiert werden, wie sie Einspruch gegen das Fotografieren ihrer Häuser einlegen können. Vor allem ginge es um Dinge, die „Rückschlüsse auf Nutzer und Besitzer zulassen„, sagt Groß und meint vor allem signifikante Autos. „Wenn jemand mit seinem getunten und unverkennbaren Auto vor dem Haus der Ex-Frau steht, kann das unter Umständen Probleme für den Besitzer geben. Das ist natürlich nur ein Beispiel. Für uns ist es wichtig, darzustellen, dass jeder das Recht hat, gegen die Nutzung der Fotos Einspruch zu erheben“, bekräftigt der FDP-Fraktionsgeschäftsführert. Prinzipiell stehe er dem Internet nicht feindlich gegenüber. „Ich bin selbst bei Facebook, ich habe einen Twitter-Account und habe per Foursquare erzählt, wo ich mich gerade aufhalte. Das sind aber Dinge, die ich selbst sende und auf die ich Einfluss habe“, sagt er.
Außerdem solle geprüft werden, ob es rechtlich möglich ist, von Google Gebühren für das Abfotografieren der Straßen zu verlangen. „Es ist schwer vermittelbar, wenn ein Gratis-Dienst ganze Städte fotografiert und dann damit durch Werbung Geld verdient“, so Groß.

Etwas weiter gehen die Grünen. Stadtrat Norman Volger reichte einen Antrag ein, der Google vorwirft, „öffentlichen Raum zu privatisieren“. „Es kann nicht sein, dass ein Unternehmen im gesamten Bundesgebiet hochsensible Daten von Privatpersonen und Unternehmen zu kommerziellen Interessen sammelt, ohne in irgendeiner Weise hierüber Rechenschaft ablegen zu müssen“, heißt es in dem Antrag. Und weiter: „Die von Google erhobenen Daten unterliegen dem Schutz der Datenschutzgesetze.“ Es bestünde die Gefahr, dass die Daten mit weiteren bereits vorliegenden Daten verknüpft werden, ohne dass die Bürger davon wüssten.

Geht es darum nach dem Willen der Grünen-Fraktion, solle Leipzig Google die Nutzung aller Fotos verbieten, auf denen städtische Gebäude zu sehen sind, in denen Privatpersonen wohnen oder wo sich diese aufhalten. Das könnte also Wohnhäuser betreffen, aber genauso das Arbeitsamt. „Wenn man sehen kann, wer beispielsweise vor der Haltestelle am Arbeitsamt steht, dann verletzt das unter Umständen dessen Persönlichkeitsrecht“, so Volger. Das Argument, dass Google Gesichter und KFZ-Kennzeichen bereits seit Langem automatisiert verwischt, lässt er nicht gelten. „In den USA gab es schon Fälle, wo das vergessen wurde. Aber auch über markante Kleidung oder ein auffälliges Auto ist die Identifizierung von Personen möglich“, sagt er. Darum solle die Stadt Leipzig überlegen, städtische Einrichtungen wie die Drogen- und Aidshilfe oder andere „sensible Orte“ und das direkte Umfeld aus Streetview heraus zu halten, um die Bürgerrechte zu wahren. Sehenswürdigkeiten wie das Völkerschlachtdenkmal oder auch das Neue und Alte Rathaus sollten dagegen sichtbar sein. „Das sind öffentliche Plätze und wer sich dort eventuell mit einer Liebschaft zeigt, ist selbst schuld“, argumentiert er.

Populismus oder politische Heuchelei sei das nicht, so Norman Volger. „Zu wenig Leute wissen Bescheid, wo sie möglicherweise zu sehen sind. Die Privatisierung des öffentlichen Raumes schreitet immer weiter voran, auch durch Kameras an Straßen, auf die nicht hingewiesen wird. Irgendwo muss man Grenzen ziehen. Wir haben jetzt, in dem Prozess, in dem etwas passiert, die Möglichkeit zur Information der Bürger“, sagt er.

Bevor sich allerdings tatsächlich der Stadtrat mit dem Thema befasst, können noch einige Wochen vergehen, wie Stadtsprecher Peter Krutsch auf Anfrage mitteilte: „Die Anträge kommen wohl erst nach der Sommerpause in den Stadtrat. Außerdem ist noch zu prüfen, ob das Thema überhaupt im Aufgabenbereich der Stadt liegt.“ OBM Burkhard Jung ließ aber immerhin vorauseilend schonmal mitteilen: „Ich sehe das Vorhaben mit großer Skepsis, weil die Privatsphäre des Einzelnen davon erheblich berührt wird.“

Link:
Erklärung von Google zu Streetview mit Hinweisen zum Datenschutz und Widerspruch

Update:
Nun hat auch die Stadt Leipzig auf ihrer Website einige Hinweise zum Widerspruch veröffentlicht.

3 Gedanken zu „„Natürlich wissen wir, dass wir Streetview nicht verhindern können“

  1. Hachja.
    Das Recht auf Panoramafotos.
    Tralala.

    (im übrigen: bis der Stadtrat das entschieden haben wird ist das Google-Auto schon in einer anderen Stadt.)

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