Taucha. Adama und Pici laufen ruhig durch den Raum, schnuppern hier, schauen da und wedeln freudig mit der Rute, wenn sie jemand ruft. Alltag für die beiden Hündinnen, ungewöhnlich und neu für die Bewohner des DRK-Altenpflegeheims Am Veitsberg. Die beiden Ungarischen Vorsteherhunde sind am Mittwochnachmittag eigens für die Senioren da. „Wir haben eine Firma aus Borsdorf eingeladen, die sich auf die Therapie mit Tieren spezialisiert hat“, erklärt Heimleiterin Ramona Springsguth. Jokerhund nennt sich das Unternehmen von Dan Ostberg und Tino Hentschel. „Wir bieten diese Dienstleistung seit sieben Jahren an, gehen vornehmlich in Altenheime oder Wachkoma-Zentren“, so Dan Ostberg.
Sechs Hunde und einige Kaninchen setzen die Trainer ein. Die Magyar-Vizsla, wie die ungarische Rasse korrekt heißt, sind sehr lernbegierig und fordern regelrecht die geistige Arbeit. „Hier haben wir sie mit, um den Bewohnern die Angst zu nehmen und Vertrauen zu schaffen“, sagt Tino Hentschel. Gelingen soll das unter anderem mit Belohnungshäppchen. „Geben Sie ihr ruhig eins“, ermuntert Hentschel einen Mann im Rollstuhl. Vorsichtig legt er den kleinen Kauknochen auf die flache Hand. Adama beobachtet ihn ganz genau dabei und nimmt das Stückchen behutsam mit den Zähnen weg.
„Oh, das würde ich mir nie trauen, ich habe ganz schön Angst“, sagt eine Bewohnerin des Seniorenheims, die dem Mann gegenüber sitzt. „Mein Mann wollte früher immer einen Hund, aber ich habe gesagt, dass ich dann ausziehe“, lächelt sie. Respekt sei es, den sie den Tieren gegenüber bringt. „Ich würde einem Tier darum auch nie etwas tun“, so die Frau. Auch an die beiden Angora-Kaninchen, die Ostberg und Hentschel mitgebracht haben, traut sie sich nicht. Die langhaarigen, flauschigen Gesellen hocken friedlich in einem Meter Entferung auf dem Fußboden des Speiseraums. „Ich bin ganz zufrieden, dass sie da sind, näher müssen sie gar nicht kommen“, sagt sie mit skeptischem Blick.
Eine andere Seniorin dagegen ist sehr vertraut mit Tieren. „Ich hatte früher selbst Kaninchen, dazu noch Schafe und Ziegen. Darum freue ich mich sehr über die heutige Abwechslung.“ Und auch Bewohnerin Waltraud Heschler, die Mühe hat, das große, wuschlige Kaninchen zu halten, bekommt gar nicht genug von den Tieren und bescheinigt am Ende der Streichelstunde: „Das war ein gelungener Nachmittag.“
Für Leiterin Ramona Springsguth geht es um die Beschäftigung der Senioren mit etwas Neuem. „Sie erinnern sich an ihre Haustiere, erzählen ihren Verwandten von dieser Begegnung und haben auch untereinander ein neues Gesprächsthema. Zusätzlich hängen wir Fotos im Haus auf, damit sie sich noch lange daran erinnern können“, erklärt sie. Eine Wiederholung sei nicht ausgeschlossen, meinen auch Dan Ostberg und Tino Hentschel. „Denkbar wäre ein Motivationstraining. Wer mag, könnte einen Hindernis-Parcour für die Hunde aufbauen und sie trainieren, diesen zu absolvieren“, so Ostberg. Ob die Arbeit mit den Tieren auch wirklich therapeutischen oder pädagogischen Effekt für die Senioren hat, wisse er nicht. „Im Altenbereich gibt es noch keine Forschungsergebnisse. Man weiß aber, dass speziell im Kinder- und Jugendbereich sowie bei Sprach- und Hörgeschädigten sich die Befindlichkeiten bessern. Die Klienten werden aufgeweckter und redseliger“, sagt er. Große Ziele hätten die Unternehmer nicht definiert. „Es geht nicht immer um besondere Ergebnisse, die kleinen Ziele reichen auch. Dass man wieder ein Thema hat, sich erfreut an den Tieren“, meint Hentschel. Meilensteine, die an diesem Nachmittag allemal erreicht wurden.
Erschien am 16. Januar 2009 in der Leipziger Volkszeitung.