„Wir wollen aufmischen“

Neue Wochenzeitung „Weiter“ erscheint ab Freitag in Leipzig

weiter-logoLeipzig bekommt eine neue Verkaufs-Wochenzeitung. „Weiter“ heißt sie, erscheint am Freitag zum ersten Mal und soll ein journalistisches Printprodukt für alle Leipziger werden. Initiatoren, Herausgeber und Chefredakteure sind Jan Kröger, Constanze Kretzschmar, Dirk Stascheit und Jonathan Fasel, allesamt volontierte und fast fertige Studenten der Journalistik. Ich sprach exklusiv für dieses Blog mit Jonathan Fasel über das Projekt und Journalismus in der Messestadt.

Jonathan, warum braucht es Eurer Meinung nach eine neue Zeitung für Leipzig?

Am Anfang unseres Studiums hatten wir das Gefühl, dass Leipzig zwar Medienstadt ist, aber trotzdem zu wenig bietet. Die etablierten Medien sind häufig zu behäbig, erzählen Geschichten nicht genug zu Ende und bleiben zu kurz an einem Thema dran. Außerdem gibt es kein wirkliches politisches Stadtmagazin. Kreuzer & Co. berichten nur ansatzweise über Politik. Zudem glauben wir, dass der Journalismus in vielen Tageszeitungen Deutschlands zu verkrustet ist und immer stärker von wirtschaftlichen Zwängen bestimmt wird, auch und vor allem innerhalb der Redaktion.

jonathan-fasel

Und warum ist es mitten in der Krise, die auch vor den Medien nicht Halt macht, eine gute Idee, ein Printprodukt auf den Markt zu bringen? Warum nicht Online?

Weil wir ehrgeizig sind. Und weil wir glauben, Print wirkt nachhaltiger und bleibt mehr bei den Leuten hängen. Wir wollen mit unseren Geschichten nicht verhallen, wir wollen aufmischen und Aufreger bringen. Dazu braucht es ein Printmedium.

Aber vor allem junge Leute, wie Ihr es selbst seid, leben im Internet und beziehen dort gratis ihre Nachrichten. Und immer mehr etablierte Medien drängen ins Internet.

Das ist richtig, Online vernachlässigen wir ja auch nicht. Wir bieten auf unserer Website Anreißer zu den Geschichten. Wer sie komplett lesen möchte, hat in Kürze die Möglichkeit, ein Online-Abo abzuschließen. Das heißt, er muss das Printprodukt nicht kaufen.

Was sagt der Name „Weiter“ aus?

Wir heißen „Weiter“, weil wir weiter denken und tiefer in ein Thema blicken, als das jede andere Tages- und Wochenzeitung Leipzigs tun kann. Es gab in unseren Namensfindungskonferenzen einige sehr komische Vorschläge. „Weiter“ hat sich dann am Ende durchgesetzt. Das mag für manche wie „Vorwärts“ klingen und damit vielleicht einen linken Touch bekommen. Wir positionieren uns aber mit Absicht nicht in eine bestimmte politische Ecke.

Wie viele Mitarbeiter und Autoren habt Ihr?

Wir haben ein Team aus etwa 20 freien Autoren, die bislang komplett ehrenamtlich arbeiten.

Das heißt, sie betreiben Journalismus als Hobby?

Nein, das würde ich nicht sagen. Wir haben natürlich viele Studenten dabei, die aber größtenteils bereits volontiert haben. Aber es gibt auch freie Autoren, die am Anfang ihrer Laufbahn stehen und sich bekannt machen wollen.

Wie stellt ihr da die journalistische Qualität sicher?

Wir haben eine doppelte oder sogar dreifache Absicherung. Zum einen gibt es ein Redaktionsstatut, nach dem alle Autoren arbeiten müssen. Zum anderen verfahren wir nach dem Sechs-Augen-Prinzip. Das heißt, der Autor, ein Chefredakteur und ein anderer Autor lesen über jeden Text.

Wie findet Ihr Eure Themen?

Die freien Autoren bieten uns Geschichten an und wir diskutieren zusammen darüber, das gleiche geschieht mit den Themen, die wir einbringen. Einmal in der Woche treffen wir uns in einer Kneipe zur Redaktionskonferenz. Dazu gibt es unzählige Treffen und Telefonate aller Chefredakteure. Auch online funktioniert die Teamarbeit, etwa per Mail, Chat oder GoogleDocs.

Das heißt, alle entscheiden darüber, ob ein Thema ins Blatt findet oder nicht?

Im Prinzip ja. Wir geben gerade jungen Autoren die Möglichkeit, ihre Themen bei uns umzusetzen. Bei anderen Zeitungen werden viele Geschichten geblockt, weil es nicht ins Redaktionskonzept passt oder vom Umfang her einfach nicht umzusetzen ist. Wir wollen hier auch die jungen Kollegen an die Hand nehmen, ihnen eine Plattform bieten.

Also die Fortsetzung des „Spiesser“-Konzepts für die ältere Zielgruppe?

So ähnlich, ja. Allerdings haben wir als junges Team natürlich auch eine junge Sicht auf die die Themen. Hinzu kommt bei uns eine fundierte Recherche.

Nenne bitte kurz die harten Fakten der Zeitung.

Wir erscheinen in A4, haben 16 Seiten, die komplett in Farbe erscheinen und beginnen mit einer Auflage von 1500 Stück zum Preis von einem Euro. Aufmacher ist zur Erstausgabe: „Steigende Kriminalität, weniger Polizisten.“

Wir funktioniert Euer Vertrieb?

Es gibt bislang drei Wege. Zum einen der Verkauf auf der Straße.

So wie die „Kippe“?

Ja, so wie die Kippe. Allerdings wollen wir es so ähnlich machen wie etwa die „BILD“-Verkäufer an der Straße. Zudem haben wir einen festen Stand – in der Grimmaischen Straße Ecke Neumarkt.

Und die anderen Vertriebswege?

Über das Abo. Bislang gibt es eine Handvoll Abonnenten. Die Zeitungen werden ausgetragen per Rad oder per Post verschickt. Zudem gibt es erste ausgewählte Verkaufsstellen, etwa der Kiosk am Augustusplatz.

Warum gibt es „Weiter“ nicht ganz normal im Zeitschriftenladen?

Weil das Pressegrosso für uns nicht zu bezahlen ist. Wir müssten über 53 Prozent des Verkaufspreises abgeben, das ist einfach nicht drin. Dafür sprechen wir eben gezielt Läden, Kneipen und Kioske an. Das Netz der beteiligten Händler ist im Internet einzusehen und wird sich auch weiter vergrößern.

Stichwort Anzeigenkunden.

Es gibt zur Erstausgabe zwei Anzeigenkunden, die keinen direkten Leipzig-Bezug haben. Natürlich suchen wir weitere Anzeigenkunden, speziell in und aus Leipzig.

Keine Angst vor den etablierten Medien, die es ohnehin schon schwer haben, Anzeigenkunden zu akquirieren?

Nicht wirklich, nein. Denn wir bieten ein anderes Werbeumfeld als die LVZ. Von der BILD mal komplett abgesehen, das ist ja ein ganz anderes Genre. Wir sehen uns auch nicht als Konkurrenz zur LVZ – sondern eher als Ergänzung.

Eure Zielgruppe?

Alle Leipziger und jeder, dem Leipzig am Herzen liegt.

Wie betreibt Ihr Leser-Blatt-Bindung?

Über die Themen. Wir werden Themen haben, die jeden Leipziger betreffen. Und wir geben Themen den Raum, um sie rundum zu beleuchten. Der Aufmacher der Erstausgabe etwa geht über vier Seiten mit Grafiken, Fotos und anderen Gestaltungselementen. Dazu bieten wir auch Stilmittel, die andere nicht bieten, etwa Doppelporträts zu einem Thema, Satire und anderes.

Und das Layout?

Hat Magazincharakter und ist sehr luftig. Wir haben eine Studentin aus der HGB rekrutiert und eine Freundin, die im Agenturbereich tätig ist. Beide haben ihre Erfahrungen eingebracht und aus ihren zwei Vorschlägen haben wir ein Produkt entwickelt.

Ich danke für das Gespräch und wünsche einen erfolgreichen Start.

Wir danken auch und sind gespannt.

Die Macher:
Jonathan Fasel, 25, Student der Journalistik und Politikwissenschaften, kommt ursprünglich aus München und hat sich während des Studiums in Leipzig verliebt. Sein Volontariat absolvierte er beim Print-Medienservice Südwest, einer Ausgründung der Rheinpfalz. Fasel konzipierte die Jugendseite „Downtown“ des SachsenSonntag und verantwortete sie eine Zeit lang. Fasel ist der Sohn von Christoph Fasel, Journalist und Buchautor.

Dirk Stascheit, Gründer der Kurzzeittageszeitung „Der Leipziger“, die 2003 für 14 Tage auf Probe erschien. Er ist unter anderem auch zuständig für die Website von „Weiter“.

Jan Kröger, Student der Journalistik und Politikwissenschaften, volontierte beim MDR-Hörfunk.

Constanze Kretzschmar ist ebenfalls Studentin der Journalistik und Politikwissenschaften, volontierte bei der „Rheinischen Post“ in Düsseldorf.

Alle vier Macher sind Gesellschafter einer UG, also einer Mini-GmbH in Gründung.

5 Gedanken zu „„Wir wollen aufmischen“

  1. – Printmedium

    + „Möglichkeit, ein Online-Abo abzuschließen. Das heißt, er muss das Printprodukt nicht kaufen.“

    Letzteres für’s LVZ-Stammbuch!

    Ansonsten…braucht’s die Publikation wirklich?

  2. Das reine Online-Abo ist wohl schon längst im LVZ-Stammbuch. Muss sicher erstmal ein Geschäftsmodell gefunden werden.

    Ansonsten: Ja, ich denke schon, dass es eine weitere Zeitung in Leipzig braucht. Bin gespannt, wie lange „weiter“ durchhält.

  3. Tiefgründiger Journalismus in Leipziger Zeitungen ist leider schon lange her. Ich drücke die Daumen für dieses Projekt!

  4. Pingback: Großes Netz – Die Leipziger Webszene » Usability, Apps und mehr beim Webmontag
  5. Pingback: Großes Netz – Die Leipziger Webszene » Es geht “weiter” – vorerst online

Kommentare sind geschlossen.